Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman
in Grettas Tonfall entgehen zu lassen. Denn ihr Misstrauen ist geweckt, und Gretta ist eine erbärmliche Lügnerin: Monica ertappte sie noch jedes Mal dabei.
»Nicht einmal eine Vermutung?«, drängt Aoife.
»Wenn es überhaupt Robert war, den unser Vetter da gesehen haben will«, sagt Gretta und verstaut das Taschentuch wieder in ihrer Handtasche, die sich mit vernehmlichem Klick schließt. »Vielleicht war er es ja gar nicht. Wisst ihr was, ich dachte, wir gönnen uns Pommes zum Mittagessen. Eigentlich habe ich ja keinen Hunger, aber Pommes gehen immer, Pommes mit Ei, das mochtest du doch immer so gern, Aoife.«
Schon beim Wort Pommes kriegt Monica einen Hals. Wie kann ihre Mutter jetzt über Essen reden? Doch erst einmal schluckt sie ihren Ärger hinunter.
»Soweit ich Dermot verstanden habe«, sagt sie mit größter Selbstbeherrschung, »waren Zweifel wohl ausgeschlossen.«
Aber Gretta zuckt nur mit den Schultern. Sie öffnet ihre Handtasche, schaut hinein und macht sie wieder zu. »Ach, wer weiß das schon?«, sagt sie, zur verstockten Maske erstarrt. »Außerdem war es Mary, nicht Dermot.«
»Mammy, sagt dir der Name Assumpta etwas?«
Da erhellt sich ihr Gesicht, wie immer, wenn über irgendetwas in Connemara geredet wird. »Assumpta, so heißt das …« Doch mit dem Satz erlischt auch ihre freudige Miene. Sie blickt misstrauisch in die Runde. »Warum fragst du?«
Monica krallt die Hand in die Lehne. »Heißt was?«
»Dürfte ich euch um ein Glas Wasser bitten?«, ruft Gretta nach hinten in die Küche. »Gott, hier ist es ja heißer als in einem Backofen. Was habt ihr in diesen Wänden, Schaf wolle?«
»Was wolltest du über Assumpta sagen«, hakt Aoife nach. »Assumpta ist der Name von …«
»Ja, ist der Name des …« Abermals unterbricht sie sich. Sie fasst sich an den Kragen, an ihre Haare, ihre Brille. »… ist der Name des Klosters außerhalb von Roundstone, wenn ich mich nicht irre. Der Servitenorden der heiligen Maria Assumpta.«
»Also dasselbe Kloster, in das Dad angeblich gegangen ist?«
Wieder nur Schulterzucken von Gretta, die an ihrem Rocksaum gerade einen losen Faden entdeckt hat.
»Mum, weißt du, dass Dad jeden Monat einen Scheck mit dem Vermerk Assumpta ausstellt?«, sagt Aoife. »Es muss dieses Kloster sein.«
Gretta ist mit dem losen Faden aber noch lange nicht fertig und wickelt ihn endlos um den Finger.
»Wusstest du das?«
»Nein, das wusste ich nicht«, erwidert Gretta einge schnappt. »Und ich wüsste auch gern, woher ihr das habt. Habt ihr spioniert, habt ihr in seinen Sachen geschnüffelt? Habe ich euch nicht beigebracht, dass man die Privatsphäre anderer respektiert und seine Nase nicht in anderer Leute Sachen steckt? Ich weiß nicht, was daran heute anders sein soll.«
Monica wartet weiter ab. Das tut sie immer, wenn sie den Verdacht hat, dass ihre Mutter etwas zu verbergen hat.
Ihrer Mutter wird es auf dem Stuhl zusehends ungemütlich. einmal mehr öffnet sie ihre Handtasche. »Anderer Leute Sachen zu durchwühlen, das fehlte noch«, brummt sie und holt erst ein, dann noch ein Tablettenfläschchen hervor. »Dass ich so etwas erleben muss.« In der beeindruckenden Darbietung eines Schwächeanfalls kippt ihr der Kopf nach hinten. »Mein Kopf«, stöhnt sie.
Monica wartet weiter. Sie spürt, dass Aoife und Michael Francis das Spiel nicht mehr lange durchhalten, denn sie blicken hilflos erst auf sie, Monica, und dann auf ihre Mutter. Vor allem wissen sie nicht, wie es jetzt weitergehen soll, das weiß nur sie, Monica. Sie hat nach wie vor alles unter Kontrolle, denn sie kann, wie in einem Comic, Grettas Gedankenblasen lesen. Ihre Mutter wirft ihr aus halbgeschlossenen Augen einen kurzen misstrauischen Blick zu. Monica verschränkt die Arme vor der Brust – und bleibt stumm.
»Ich weiß doch auch nicht, warum er ausgerechnet dorthin gegangen ist«, bricht es aus Gretta hervor, während sie fahrig am Verschluss eines Tablettenfläschchens fummelt. »Das müsst ihr mir glauben. Und könnte ich jetzt bitte ein Glas Wasser haben, damit ich meine Medikamente nehmen kann? Oder ist das zu viel verlangt?«
Monica wartet noch einen winzigen Moment, dann löst sie ihre Arme und sagt: »Ich glaube dir durchaus, wenn du sagst, dass du es nicht weißt. Aber könnte es sein, dass du zumindest eine Ahnung hast, warum er das tut? Nur so eine klitzekleine Ahnung, die hätte ich gerne von dir.«
Gretta starrt auf das Tablettenfläschchen, als wüsste sie nicht, wie es in ihre
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