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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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auf, um zu lügen, wie großartig ich das Buch fand, da sagte Conrad ganz laut: »Sie hat seit über einer Stunde kein einziges Mal umgeblättert.« Er hatte noch immer die Kopfhörer auf.
    Ich funkelte ihn böse an, aber insgeheim freute ich mich, dass er mich bemerkt hatte. Ausnahmsweise einmal. Andererseits war es nur logisch, dass er bemerkt hatte, was ich tat – Conrad bemerkte alles. Sogar dass der Hund des Nachbarn mehr Verkrustungen im rechten als im linken Auge hatte oder der Pizzabote ein anderes Auto fuhr. Man konnte sich im Grunde nichts darauf einbilden, von Conrad bemerkt zu werden. Es war normal, mehr nicht.
    »Wenn die Geschichte so richtig losgeht, wirst du begeistert sein«, versicherte mir Susannah und strich mir die Ponyfransen aus der Stirn.
    »Es dauert immer, bis ich in eine Geschichte reinkomme«, sagte ich, und es klang wie eine Entschuldigung. Ich wollte sie nicht enttäuschen, schließlich hatte sie mir das Buch empfohlen.
    Meine Mutter kam ins Zimmer zurück mit einer Tüte Twizzlers und einem halb leeren Beutel Fritos. Sie warf Susannah einen der Kaustreifen zu und sagte zu spät: »Fang!«
    Susannah streckte eine Hand aus, aber der Streifen fiel zu Boden, und sie hob ihn kichernd auf. »Ich Tollpatsch«, sagte sie und kaute an einem Ende, so als wäre der Twizzler ein Strohhalm und sie ein Bauernmädchen. »Was ist denn los mit mir?«
    »Mom, jeder weiß, dass ihr zwei da oben Pot geraucht habt«, sagte Conrad, während er ganz leicht den Kopf im Takt zu der Musik bewegte, die nur er hören konnte.
    Susannah legte sich eine Hand auf den Mund. Sie sagte nichts, aber sie sah wirklich erschrocken aus.
    »Ups«, sagte meine Mutter. »Ich fürchte, die Katze ist aus dem Sack, Beck. Jungs – eure Mutter hat medizinisches Marihuana gegen ihre Übelkeit von ihrer Chemo genommen.«
    Ohne den Blick vom Fernseher zu lösen, fragte Steven: »Und was ist mit dir, Mom? Kiffst du auch wegen deiner Chemo?«
    Ich weiß, er wollte die Stimmung ein bisschen auflockern, und das gelang ihm auch. Darin ist Steven immer gut.
    Susannah lachte ein halb ersticktes Lachen, und meine Mutter warf Steven einen Twizzler an den Hinterkopf. »Klugscheißer. Das war nur moralische Unterstützung für meine allerbeste Freundin. Es gibt Schlimmeres.«
    Steven hob den Twizzler auf und staubte ihn ab, bevor er ihn sich in den Mund schob. »Also ist es okay, wenn ich auch mal kiffe?«
    »Nur wenn du Brustkrebs bekommst«, erklärte meine Mutter und lächelte Susannah, ihre allerbeste Freundin, an. Susannah lächelte zurück.
    »Du oder deine beste Freundin«, ergänzte Susannah.
    Jeremiah hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt, sondern immer nur zwischen Susannah und dem Fernseher hin- und hergesehen, so als fürchtete er, sie könne sich in Luft auflösen, wenn er ihr einmal kurz den Rücken zuwandte.
    Eines Nachmittags glaubten unsere Mütter, wir seien alle am Strand. Sie wussten nicht, dass Jeremiah und mir langweilig geworden war und wir beschlossen hatten, nach Hause zu gehen, um uns eine Kleinigkeit zu essen zu nehmen. Als wir die Stufen zur Veranda hochkamen, hörten wir die beiden hinter dem geöffneten Fenster reden.
    Jeremiah blieb stehen, als Susannah sagte: »Laur, ich hasse mich selbst für diesen Gedanken, aber manchmal glaube ich fast, es wäre besser zu sterben, als meine Brust zu verlieren.« Atemlos lauschte Jeremiah. Dann setzte er sich, und ich setzte mich zu ihm.
    »Das meinst du nicht ernst«, sagte meine Mutter.
    Ich fand die Antwort meiner Mutter schrecklich, und ich glaube, Susannah ging es genauso, denn sie sagte: »Erzähl du mir nicht, wie ich etwas meine.« Nie zuvor hatte ich ihre Stimme so gehört – so grob, so ärgerlich.
    »Okay, okay, schon gut.«
    Dann fing Susannah an zu weinen. Und obwohl wir die beiden nicht sehen konnten, wusste ich, dass meine Mutter Susannah mit großen kreisenden Bewegungen den Rücken massierte, so wie sie es bei mir machte, wenn ich mich über etwas aufregte.
    Ich wünschte, ich hätte dasselbe für Jeremiah machen können. Ich wusste, es würde ihm dann besser gehen, aber ich konnte es einfach nicht. Stattdessen nahm ich seine Hand und drückte sie fest. Er sah mich nicht an, aber er zog die Hand auch nicht weg. Das war der Moment, in dem wir wirkliche Freunde wurden.
    Dann sagte meine Mutter total ernst und völlig sachlich: »Deine Titten sind wirklich verdammt klasse.«
    Susannah brach in ein Lachen aus, das nach einem bellenden Seehund klang, und dann

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