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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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lachte und weinte sie gleichzeitig. Alles würde wieder gut werden. Wenn meine Mutter fluchte und Susannah lachte, dann würde alles wieder in Ordnung kommen.
    Ich ließ Jeremiahs Hand los und stand auf. Er erhob sich ebenfalls, und wir gingen zum Strand zurück, ohne ein Wort zu sagen. Was hätte ich auch sagen sollen? Tut mir leid, dass deine Mom Krebs hat? Oder: Hoffentlich verliert sie nicht eine ihrer Titten?
    Als wir wieder an unserem Stück Strand ankamen, waren Conrad und Steven gerade mit ihren Surfbrettern aus dem Wasser gekommen. Wir schwiegen immer noch, und das fiel Steven auf. Conrad wohl auch, aber er sagte nichts dazu. Steven fragte: »He, Leute, was ist denn mit euch los?«
    »Nichts«, sagte ich und zog die Knie unters Kinn.
    »Habt ihr euch gerade zum ersten Mal geküsst, oder was?«, sagte er und schüttelte sich das Wasser aus der Badehose, dass es mir auf die Knie spritzte.
    »Hör auf«, sagte ich. Ich hatte große Lust, ihm blitzschnell die Hose runterzuziehen, bloß um das Thema zu wechseln. Im Sommer davor hatten die Jungen eine Phase gehabt, in der sie einander ständig in der Öffentlichkeit die Hosen runterzogen. Ich selbst hatte nie dabei mitgemacht, aber in dem Moment war mir durchaus danach.
    »O Mann, ich wusste es!«, sagte er und boxte mich in die Schulter. Ich schüttelte ihn ab und sagte ihm noch einmal, er solle aufhören. Aber er fing an zu singen: Summer lovin’, had me a blast, summer lovin’, happened so fast …
    »Steven, lass den Blödsinn«, sagte ich, drehte mich kopfschüttelnd zu Jeremiah um und rollte mit den Augen.
    Doch Jeremiah stand auf, wischte sich den Sand von den Shorts und ging zum Wasser, weg von uns, weg vom Haus.
    »He, Jeremiah, hast du deine Tage, oder was? Das war doch bloß Quatsch, Mann!«, rief Steven ihm nach. Aber Jeremiah drehte sich nicht um, sondern lief einfach am Ufer entlang. »Jetzt komm schon!«
    »Lass ihn in Ruhe«, sagte Conrad. Die beiden Brüder schienen sich nie besonders nahe zu stehen, aber es gab Momente, in denen ich merkte, wie gut sie sich verstanden, und so ein Moment war jetzt. Als ich sah, wie Conrad sich schützend vor Jeremiah stellte, empfand ich mit einem Mal große Liebe zu ihm, wie eine große Welle überkam sie mich. Gleichzeitig hatte ich ein schlechtes Gewissen – wie konnte ich mich in jemanden verlieben, wenn Susannah Krebs hatte?
    Ich merkte Steven an, dass er beschämt und verwirrt war. Es passte so gar nicht zu Jeremiah, einfach wegzugehen. Sonst war er immer der Erste, der lachte, der auf einen Scherz einging.
    Ich hatte Lust, Salz in die Wunde zu streuen, und sagte: »Du bist so ein Arschloch, Steven.«
    Er starrte mich mit offenem Mund an. »Lieber Himmel, was hab ich denn gemacht?«
    Ich beachtete ihn nicht, sondern ließ mich auf mein Handtuch sinken und schloss die Augen. Ich hätte zu gern Conrads Kopfhörer gehabt. Am liebsten hätte ich diesen ganzen Tag einfach vergessen.
    Später, als Conrad und Steven beschlossen, nachts angeln zu gehen, wollte Jeremiah nicht mit, obwohl es kaum etwas gab, was er lieber tat. Sonst versuchte er immer, andere Leute zu nächtlichen Angelausflügen zu überreden. Aber an dem Abend sagte er, er sei nicht in der Stimmung. Also zogen die beiden anderen alleine los, und Jeremiah blieb mit mir zurück. Wir sahen fern und spielten Karten. So ging das den größten Teil des Sommers. Das war der Sommer, in dem die Beziehung zwischen uns ganz fest wurde. Manchmal weckte Jeremiah mich schon früh am Morgen, und dann gingen wir an den Strand, um Muscheln oder Krabben zu suchen. An anderen Tagen radelten wir fünf Kilometer zu einer Eisdiele. Wenn wir zwei alleine waren, machte er nicht so viele Witze wie sonst, aber er war immer noch ganz er selbst.
    Von diesem Sommer an fühlte ich mich Jeremiah näher als meinem eigenen Bruder. Jeremiah war netter. Vielleicht, weil er auch einen großen Bruder hatte, vielleicht war es aber auch einfach seine Art. Er war zu jedem nett. Er besaß einfach die Gabe, dass Menschen sich in seiner Nähe wohlfühlten.

15
    Seit drei Tagen regnete es. Am dritten Tag, so gegen vier, kriegte Jeremiah einen Rappel. Er war kein Mensch, der es lange im Haus aushielt, er war ständig auf Achse. Immer wollte er Neues entdecken. Also sagte er, er halte es nicht mehr aus und ob jemand von uns mit ins Kino wolle. Außer dem Autokino gab es in Cousins nur ein Filmtheater, und das war im Einkaufszentrum.
    Conrad war in seinem Zimmer, und als Jeremiah hochging, um

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