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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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zu der altmodischen Ballettmusik aus Romeo und Julia tanzte. Ich bewahrte immer meinen Schmuck darin auf. Alles an meinem Zimmer war alt und verblichen, aber genau das mochte ich so daran. Es kam mir immer so vor, als wären Geheimnisse darin verborgen, in den Wänden, dem Himmelbett und vor allem in dieser Spieldose.
    Nach dem Wiedersehen mit Conrad, nachdem er mich auf diese neue Art angesehen hatte, brauchte ich erst einmal eine Atempause. Ich schnappte mir den Eisbären von der Kommode und drückte ihn ganz fest an mich. Er hieß Junior Mint, oder, in der Kurzform, Junior. Ich setzte mich mit Junior auf das Doppelbett. Mein Herz klopfte so laut, dass ich es hören konnte. Alles war wie immer und doch wieder nicht. Sie hatten mich angesehen, als wäre ich ein richtiges Mädchen, nicht bloß die kleine Schwester von irgendwem.

2
    mit zwölf
    Meinen ersten großen Liebeskummer hatte ich in diesem Haus. Damals war ich zwölf.
    Es passierte an einem jener wirklich seltenen Abende, an denen die Jungs nicht alle da waren – Steven und Jeremiah waren auf einem nächtlichen Angelausflug mit ein paar Typen, die sie in der Spielhalle kennengelernt hatten. Conrad hatte keine Lust gehabt mitzugehen, und ich war sowieso nicht eingeladen, also blieben er und ich alleine zurück.
    Nicht zusammen, nur im selben Haus.
    Ich saß in meinem Zimmer, die Beine an der Wand hochgelegt, und las einen Liebesroman, als Conrad auf dem Flur vorbeikam. Er blieb stehen und fragte: »Was hast du heute Abend vor, Belly?«
    Ich klappte mein Buch schnell nach hinten um, damit der Umschlag nicht zu sehen war. »Nichts.« Ich bemühte mich, nicht sonderlich aufgeregt oder gespannt zu klingen. Die Tür hatte ich mit Absicht offen gelassen – ich hatte gehofft, er würde bei mir vorbeischauen.
    »Kommst du mit zur Strandpromenade?«, fragte er. Es klang total beiläufig, fast schon zu beiläufig.
    Das war der Moment, auf den ich gewartet hatte. Jetzt war es so weit. Endlich war ich alt genug. Und irgendwo tief in mir wusste ich, dass ich bereit war. Ich warf ihm einen Blick zu, der ebenso gleichgültig schien wie seine Frage. »Vielleicht. Ich hab schon die ganze Zeit Lust auf kandierte Äpfel.«
    »Ich kauf dir einen«, bot er an. »Mach schnell, zieh dir was an, und dann gehen wir. Unsere Mütter wollen ins Kino, sie setzen uns unterwegs ab.«
    Ich setzte mich auf. »Okay.«
    Sobald Conrad draußen war, schloss ich die Tür und rannte zum Spiegel. Ich löste meine Zöpfe und bürstete mir die Haare. In jenem Sommer waren sie richtig lang, fast bis zur Taille gingen sie mir. Dann zog ich den Badeanzug aus und weiße Shorts an, dazu mein blaues Lieblings-T-Shirt, von dem mein Dad immer sagte, es passe genau zu meiner Augenfarbe. Dann schnell noch Erdbeer-Lipgloss auf die Lippen. Die Tube steckte ich ein, für später. Konnte ja sein, dass ich es erneuern musste.
    Im Auto lächelte Susannah mich die ganze Zeit im Rückspiegel an. Ich warf ihr einen Blick zu, der so viel heißen sollte wie Lass das, bitte – aber eigentlich hätte ich am liebsten zurückgelächelt. Conrad bekam sowieso nichts mit. Er guckte bloß dauernd aus dem Fenster, bis wir da waren.
    »Viel Spaß, ihr zwei«, sagte Susannah und zwinkerte mir zu, als ich die Tür zuwarf.
    Gleich als Erstes kaufte Conrad mir einen kandierten Apfel. Sich selbst kaufte er nur eine Cola, sonst nichts – normalerweise aß er mindestens einen Apfel, manchmal auch zwei, oder einen Spritzkuchen. Er wirkte nervös, weswegen ich gleich weniger nervös war.
    Während wir die Promenade entlangschlenderten, ließ ich den linken Arm gerade runterhängen – für alle Fälle. Aber er nahm meine Hand nicht. Es war ein perfekter Sommerabend, nicht ein Tropfen Regen und ein kühles Lüftchen. Am nächsten Tag sollte es regnen, aber an diesem Abend gab es nur den Wind, weiter nichts.
    »Können wir uns mal setzen, damit ich meinen Apfel essen kann?«, fragte ich, und wir setzten uns auf eine Bank mit Blick auf den Strand.
    Vorsichtig biss ich in meinen Apfel. Ich hatte Angst, kleine Apfelstücke würden zwischen meinen Zähnen stecken bleiben, und wie sollte er mich dann küssen?
    Er schlürfte geräuschvoll seine Cola, dann sah er auf die Uhr. »Wenn du fertig bist, können wir ja runter zur Wurfbude gehen.«
    Er wollte ein Stofftier für mich gewinnen! Ich wusste genau, welches ich mir aussuchen würde – den Eisbären mit Schal und Drahtbrille. Den ganzen Sommer über hatte ich schon ein Auge auf ihn

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