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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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mal rüberkommen und Hallo sagen. Aber nichts da. Er stand neben irgendeinem Mädchen und hatte ihr die Hand auf den Rücken gelegt.
    Ich stand allein am Feuer und tat so, als würde ich mir die Hände wärmen, dabei war mir gar nicht kalt. In dem Moment sah ich ihn. Er stand auch allein und trank Wasser aus einer Flasche. Er kannte anscheinend auch niemanden, sonst würde er wohl kaum allein dastehen. Er schien etwa in meinem Alter zu sein. Aber irgendetwas an ihm wirkte beruhigend auf mich, so als wäre er jünger als ich, obwohl er das sicher nicht war. Erst als ich noch ein paarmal zu ihm rübergeschaut hatte, wusste ich, woran das lag. Dann machte es klick, und endlich begriff ich.
    Seine Wimpern waren es. Sie waren so lang, dass sie fast auf seinen Wangenknochen auflagen. Gut, er hatte auffällig hohe Wangenknochen, aber trotzdem. Außerdem hatte er einen leichten Unterbiss, eine klare, glatte Haut in der Farbe gerösteter Kokosflocken, wie man sie auf Eis streut. Ich tastete nach dem Pickel in meinem Gesicht, der sich vor zwei Tagen gezeigt hatte, und war heilfroh, dass die Sonne ihn schon ausgetrocknet hatte. Seine Haut war einfach perfekt. Alles an ihm schien ziemlich perfekt, soweit ich sah.
    Er war groß, größer als Steven oder Jeremiah. Vielleicht sogar größer als Conrad. Er mochte zur Hälfte japanischer oder koreanischer Herkunft sein. So gut sah er aus, dass ich dachte, ich würde sein Gesicht gern zeichnen. Dabei verstand ich gar nichts vom Zeichnen.
    Er fing meinen Blick auf, und ich sah weg. Als ich das nächste Mal hinübersah, erwischte er mich wieder dabei. Er hob die Hand und grüßte leicht.
    Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als ihn zu begrüßen. Ich ging hinüber, streckte die Hand aus und bereute es sofort. Das machte doch kein Mensch mehr, jemandem die Hand geben, oder?
    Er nahm meine Hand und schüttelte sie. Erst sagte er gar nichts, sondern starrte mich nur an, so als dächte er angestrengt nach. »Du kommst mir irgendwie bekannt vor«, sagte er schließlich.
    Ich verkniff mir ein Grinsen. War das nicht genau der Satz, den Jungs immer als Erstes zu Mädchen sagten, wenn sie sich an der Bar neben sie stellten? Ich überlegte, ob er mich vielleicht am Strand gesehen hatte, in meinem neuen Tupfenbikini. Nur dieses eine Mal hatte ich mich getraut, ihn anzuziehen, aber womöglich hatte dieser Junge mich genau deshalb bemerkt. »Vielleicht hast du mich am Strand gesehen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein … da nicht.«
    Also doch nicht der Bikini. Noch ein Versuch: »Oder drüben im Eiscafé, bei Scoops?«
    »Nein, auch nicht«, sagte er. Und dann war es, als würde in seinem Kopf ein Licht angeknipst, denn auf einmal grinste er. »Hattest du Latein?«
    Wie bitte? »Ähm – ja.«
    »Hast du mal bei der Latein-Olympiade in Washington D.C. mitgemacht?«
    »Ja«, sagte ich. Wer war dieser Typ bloß?
    Er nickte zufrieden. »Ich auch. In der Achten, stimmt’s?«
    »Ja …« In der Achten hatte ich eine Zahnspange und trug eine Brille. Wieso musste er sich ausgerechnet von damals an mich erinnern? Wieso nicht aus diesem Sommer, mit meinem getupften Bikini?
    »Daher kenne ich dich. Die ganze Zeit stehe ich schon hier und habe versucht, mich zu erinnern.« Er grinste. »Ich bin Cam, aber mein lateinischer Name war Sextus. Salve.«
    Plötzlich stieg ein Kichern in mir auf wie Bläschen von Kohlensäure. Die Geschichte war schon komisch. »Salve. Ich bin Flavia. Ich meine, Belly. Ich meine, ich heiße Isabel, aber alle nennen mich Belly.«
    »Wieso?« Er sah mich an, als fragte er sich das im Ernst.
    »Das war der Kosename, den mein Dad für mich erfunden hat, als ich ganz klein war. Er fand Isabel zu lang«, erklärte ich. »Aber inzwischen nennt mich jeder so. Schon blöd.«
    Er ignorierte meine letzte Bemerkung. »Wie wär’s mit Izzy? Oder Belle?«
    »Ich weiß nicht. Es hängt auch damit zusammen, dass Jelly Bellys meine Lieblingsbonbons sind. Mein Dad und ich hatten so ein Spiel. Er fragte nach meiner Laune, und ich habe mit den Farben von Jelly Bellys geantwortet. Pflaume zum Beispiel hieß, dass ich gut drauf war …« Ich brach ab. Immer wenn ich nervös war, quasselte ich zu viel, und jetzt war ich eindeutig nervös. Den Namen Belly hatte ich immer schon gehasst – zum Teil auch deswegen, weil es kein richtiger Name war, nur ein Kosename für ein Kind. Isabel dagegen klang nach einem eher exotischen Mädchen mit dunklem Pony,

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