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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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und Jeremiahs Augen nichts wert und ich müsste ihn deshalb auf einmal auch so sehen. Komisch, vor ein paar Minuten erst hatte ich mich ihm so nah gefühlt.
    »Okay, Cam Cameron. Dieser Song ist für dich und unsere süße kleine Belly Button. Lasst knacken, Ladies!« Eines der Mädchen drückte auf die Play-Taste der Fernbedienung. Summer lovin’, had me a blast …
    Ich hätte ihn erwürgen können, aber ich schüttelte nur den Kopf und starrte ihn finster an, mehr brachte ich nicht zustande. Ich konnte ihm ja schlecht vor allen Leuten das Mikro aus der Hand reißen. Jeremiah grinste mich blöd an und begann zu tanzen. Eines der Mädchen sprang vom Boden auf und machte mit. Sie sang den Olivia-Newton-Teil, aber total schief. Auf seine herablassende Weise sah Conrad amüsiert zu. Irgendwer sagte: »Wer ist die überhaupt?« Dabei sah sie mir direkt ins Gesicht.
    Cam neben mir lachte. Ich konnte es nicht fassen. Ich starb vor Peinlichkeit, und er lachte. »Lächeln, Flavia«, sagte er und stieß mich in die Seite.
    Wenn mir jemand sagt, ich soll lächeln, dann tu ich’s automatisch, ich kann gar nicht anders. Das ist immer so.
    Cam und ich gingen raus, mitten in Jeremiahs Song. Ich musste mich nicht nach Conrad umsehen, um zu wissen, dass er uns nachsah.
    Cam und ich setzten uns auf die Treppe und redeten. Er saß eine Stufe höher als ich. Man konnte leicht mit ihm reden, er hatte so gar nichts Einschüchterndes. Es gefiel mir, wie gern er lachte – ganz anders als Conrad. Bei Conrad musste man um jedes Lächeln kämpfen. Unkompliziert war nichts bei ihm.
    So wie Cam sich zu mir vorbeugte, dachte ich, er würde vielleicht versuchen, mich zu küssen, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihn lassen würde. Aber jedes Mal, wenn er sich herunterbeugte, kratzte er sich bloß am Knöchel oder zog einen Socken hoch, dann rückte er wieder ein Stück weg. Bis zum nächsten Mal.
    Gerade als er mir wieder näher kam, hörte ich wütendes Gezanke von der Veranda. Eine dieser Stimmen war eindeutig Conrads. Ich sprang auf. »Da ist irgendwas im Gange.«
    »Wir können ja mal nachschauen«, sagte Cam und ging voran.
    Conrad stritt sich mit einem Typen mit Stacheldraht-Tattoo auf dem Unterarm. Der andere war kleiner als Conrad, aber kräftiger gebaut, mit eindrucksvollen Muskeln, und er kam mir vor wie bestimmt fünfundzwanzig. Jeremiah sah irritiert zu, aber ich merkte ihm an, dass er auf dem Sprung war und wenn nötig dazwischengehen würde.
    Ich flüsterte ihm zu: »Worüber streiten die sich eigentlich?«
    Jeremiah zuckte die Achseln. »Conrad ist dicht, aber mach dir keine Sorgen. Das ist bloß Imponiergehabe bei den beiden.«
    Ich war mir nicht so sicher. »So wie sie gucken, könnte man meinen, sie wollen sich gegenseitig umbringen.«
    »Halb so schlimm«, meinte Cam. »Aber wir sollten vielleicht mal los. Es ist spät.«
    Ich sah ihn von der Seite an. Ich hatte beinahe vergessen, dass er neben mir stand. »Ich geh hier nicht weg«, sagte ich. Nicht, dass ich viel tun könnte, um eine Prügelei zu verhindern, aber ich konnte Conrad auch nicht einfach sich selbst überlassen.
    Conrad tat einen Schritt auf den Tätowierten zu, doch der stieß ihn lässig zurück. Conrad lachte, trotzdem spürte ich, dass sich hier etwas zusammenbraute wie bei einem Gewitter. So wie ein See oft auch auffällig ruhig daliegt, bevor ein Sturm losbricht.
    »Willst du nichts machen?«, zischte ich Jeremiah an.
    »Er ist alt genug«, sagte er, doch dabei ließ er Conrad nicht aus den Augen. »Er kommt schon klar.«
    Aber das glaubte er selber nicht, und ich genauso wenig. Conrad sah nicht so aus, als hätte er die Lage im Griff. Er wirkte überhaupt nicht wie der Conrad Fisher, den ich kannte, sondern ungestüm und außer Kontrolle. Was, wenn er verletzt wurde? Was dann? Ich musste ihm helfen, keine Frage.
    Ich ging auf die beiden zu und schüttelte Jeremiah ab, der mich festhalten wollte. Erst als ich neben den Jungen stand, wurde mir klar, dass ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte. Noch nie zuvor hatte ich versucht, eine Prügelei zu verhindern.
    »Ähm – hi«, sagte ich und stellte mich zwischen die beiden. »Wir müssen mal los.«
    Conrad schob mich beiseite. »Verschwinde, Belly, aber ein bisschen plötzlich.«
    »Wer ist das denn? Deine kleine Schwester?« Der andere musterte mich von Kopf bis Fuß.
    »Nein, ich bin Belly«, klärte ich ihn auf. Ich war so nervös, dass ich über meinen eigenen Namen stolperte.
    »Belly?«

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