Der Sommer, als ich schön wurde
an. Susannah lehnte sich an mehrere Kissen und war schon bettfertig, dabei war es noch ziemlich früh. Sie trug einen ihrer seidenen Morgenröcke, die Mr. Fisher ihr von einer Geschäftsreise nach Hongkong mitgebracht hatte. Er war mohnrot und cremefarben, und wenn ich einmal heiratete, wollte ich genau so einen haben.
»Komm, setz dich zu uns und hilf uns mit dem Album«, sagte meine Mutter, die in einer alten gestreiften Hutschachtel kramte.
»Laurel, siehst du denn nicht, wie sie sich aufgestylt hat? Wer so aussieht, hat Besseres vor, als verstaubte alte Fotos anzusehen.« Susannah zwinkerte mir zu. »Belly, du siehst taufrisch aus. Weiß passt wunderbar zu deiner gebräunten Haut. Wie ein Bilderrahmen bringt es dich zur Geltung.«
»Danke, Susannah«, sagte ich.
Ich hatte mich gar nicht besonders in Schale geworfen, aber diesmal ging ich auch nicht in Shorts wie zum Feuerwerk. Ich trug ein weißes Sommerkleid und Flip-Flops und hatte mir die Haare gleich nach dem Waschen zu Zöpfen geflochten. Wahrscheinlich würde ich sie in einer halben Stunde oder so schon wieder lösen, weil sie so straff waren, aber das war mir egal. Ich fand es süß.
»Du siehst wirklich sehr hübsch aus. Wo willst du hin?«, fragte meine Mutter.
»Bloß auf eine Party.«
Meine Mutter runzelte die Stirn. »Gehen Conrad und Jeremiah auch hin?«
»Die zwei sind doch nicht meine Leibwächter«, antwortete ich und verdrehte die Augen.
»Das habe ich auch nicht behauptet«, sagte meine Mutter.
Susannah winkte mir zum Abschied. »Viel Spaß, Kleines.«
»Werd ich haben«, sagte ich und zog die Tür hinter mir zu, bevor meine Mutter noch weitere Fragen stellen konnte.
Ich hatte gehofft, dass Conrad und Jeremiah nur rumgestichelt hatten, dass sie nicht wirklich versuchen würden mitzukommen, aber als ich die Treppe hinunterlief, weil Cam jeden Moment vorfahren musste, rief Jeremiah: »Hey, Belly?«
Conrad und er saßen im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Ich steckte den Kopf zur Tür hinein. »Was ist denn noch?«, fuhr ich ihn an. »Ich hab’s eilig.«
Jeremiah wandte den Kopf und zwinkerte mir müde zu. »Bis gleich.«
Conrad musterte mich und sagte: »Was ist das denn für ein Parfüm? Da kriegt man ja Kopfschmerzen! Und wozu hast du dich so angemalt?«
Ich war gar nicht stark geschminkt, ein bisschen Rouge und Wimperntusche und ein Hauch Lipgloss, das war alles. Aber Conrad kannte mich so nicht. Und von meinem Parfüm hatte ich nur ein wenig auf die Handgelenke und in den Nacken gesprüht. Bei dem Red-Sox-Mädchen hatte Conrad das Parfüm ja wohl auch nicht gestört, im Gegenteil, bei ihr fand er es toll. Trotzdem warf ich noch einen letzten Blick in den Spiegel im Flur – und verrieb das Rouge ein bisschen und auch das Parfüm.
Dann knallte ich die Tür hinter mir zu und rannte die Einfahrt hinunter, gerade als Cam einbog. Ich hatte von meinem Fenster aus nach ihm Ausschau gehalten, so musste ich ihn nicht hineinbitten und meiner Mutter vorstellen.
Ich hüpfte in Cams Auto. »Hi.«
»Hi«, sagte er. »Ich hätte doch klingeln können.«
»Glaub mir, es ist besser so«, antwortete ich. Mit einem Mal fühlte ich mich richtig schüchtern. Wie ist das möglich, dass man mit Leuten stundenlang am Telefon quatschen kann, sogar mit ihnen schwimmen gehen kann, und dann plötzlich das Gefühl hat, sie gar nicht zu kennen?
»Dieser Kinsey ist ein bisschen merkwürdig, aber im Grunde ein guter Typ«, berichtete Cam, während er rückwärts aus der Einfahrt bog. Er war ein guter, vorsichtiger Fahrer.
Beiläufig fragte ich: »Er verkauft nicht zufällig Crystal Meth?«
»Ähm – nicht dass ich wüsste.« Cam lächelte. Er hatte ein Grübchen in der rechten Wange, das mir bisher noch nicht aufgefallen war. Hübsch.
Ich entspannte mich. Nachdem ich die Sache mit dem Crystal Meth abgehakt hatte, war nur noch ein Punkt offen: Ich drehte mein Bettelarmband immer wieder um, dann sagte ich: »Du erinnerst dich doch an die Jungs, mit denen ich beim Feuerwerk war? Jeremiah und Conrad?«
»Deine Quasi-Brüder?«
»Ja. Kann sein, dass sie später auch noch vorbeikommen. Sie kennen Kinsey.«
»Ach ja?«, sagte Cam. »Cool. Dann kapieren sie ja vielleicht auch, dass ich kein Monster bin.«
»Das glauben sie auch nicht«, antwortete ich. »Na ja, irgendwie schon. Aber das würden sie von jedem Jungen denken, mit dem ich rede, nimm’s nicht persönlich.«
»Du musst ihnen ja wirklich viel bedeuten, wenn sie so gut auf dich
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