Der Sommer, als ich schön wurde
so nannte. Es erinnerte mich an die Zeit, als ich sechs war und bei ihr im Bett einschlafen durfte.
Stolz erzählte ich: »Cam und ich wollen zum Minigolf.«
Als Kinder waren wir dauernd da. Mr. Fisher ist oft mit uns hingefahren und hat die Jungs gegeneinander antreten lassen. »Zwanzig Dollar für den, der als Erster seinen Ball ins Loch bekommt. Zwanzig Dollar für den Sieger.« Steven fand das toll. Ich glaube, er hätte Mr. Fisher gern zum Vater gehabt. So völlig ausgeschlossen wäre das übrigens nicht gewesen: Susannah hatte mir mal erzählt, dass meine Mutter als Erste mit ihm ausgegangen war, ihn dann aber an Susannah weitergereicht hatte, als ihr klar wurde, dass die beiden das perfekte Paar abgeben würden.
Mr. Fisher ließ mich bei diesen Minigolf-Ausflügen immer mitkommen, aber er erwartete nie, dass ich gewinnen könnte. Tat ich natürlich auch nie. Ich verabscheute Minigolf sowieso, allein schon die Minibleistifte und den Kunstrasen. Es war alles so furchtbar adrett, ein bisschen wie Mr. Fisher selbst. Conrad wollte so sehr wie sein Vater sein, aber ich hoffte, dazu würde es nie kommen. Dass er so würde, meine ich.
Als ich das letzte Mal beim Minigolf gewesen war, war ich dreizehn und bekam ausgerechnet dort zum ersten Mal meine Tage. Ich hatte weiße Shorts an, und Steven kriegte einen Schrecken, weil er dachte, ich hätte mich verletzt – einen Moment lang glaubte ich das auch. Nach dieser Erfahrung war mir die Lust am Minigolf gründlich vergangen. Selbst wenn die Jungs fragten, ob ich mitwolle, habe ich dankend verzichtet. Wenn ich jetzt mit Cam hinging, war das vielleicht der Versuch, das Spiel für mich zurückgewinnen, für mein zwölf Jahre altes Ich. Der Vorschlag war sogar von mir gekommen.
»Könntest du versuchen, frühzeitig wieder zurück zu sein?«, fragte meine Mutter »Ich fände es schön, wenn wir mal wieder ein bisschen Zeit miteinander hätten. Wir könnten vielleicht einen Film gucken.«
»Was heißt früh? Ihr beide liegt ja meistens schon um neun oder so im Bett.«
Meine Mutter setzte ihre Sonnenbrille ab und sah mich an. Die Brille hatte auf beiden Seiten der Nase Abdrücke hinterlassen. »Ich wünschte, du würdest mehr Zeit im Haus verbringen.«
»Jetzt bin ich ja wohl im Haus«, erinnerte ich sie.
Sie tat, als hätte sie mich nicht gehört. »Du hast in den letzten Wochen sehr viel Zeit mit diesem Menschen verbracht.«
»Ihr habt doch gesagt, ihr mögt ihn!« Hilfesuchend sah ich Susannah an, und sie erwiderte meinen Blick mitleidig.
Meine Mutter seufzte, und Susannah nutzte die Gelegenheit, sich einzumischen. »Wir mögen Cam wirklich. Aber wir vermissen dich, Belly. Wir akzeptieren völlig, dass du dein eigenes Leben führst.« Sie rückte ihren weichen Strohhut zurecht und zwinkerte mir zu. »Wir fänden es nur schön, wenn du uns ein kleines bisschen daran teilhaben ließest.«
Gegen meinen Willen musste ich lächeln. »Okay«, sagte ich und ließ mich auf mein Handtuch zurücksinken. »Ich komme früh zurück, und dann gucken wir einen Film zusammen.«
»Abgemacht«, sagte meine Mutter.
Ich schloss die Augen und setzte die Kopfhörer auf. Vielleicht hatte meine Mutter ja nicht so ganz unrecht. Ich hatte meine Zeit komplett mit Cam verbracht, und vielleicht vermisste sie mich ja wirklich. Sie durfte es nur einfach nicht mehr als selbstverständlich voraussetzen, dass ich wie in all den Sommern zuvor jeden Abend zu Hause war. Ich war fast sechzehn, also praktisch erwachsen. Meine Mutter musste einfach begreifen, dass ich nicht für immer und ewig ihre kleine Bean bleiben würde.
Sie dachten, ich sei eingeschlafen, als sie anfingen miteinander zu reden. Aber ich schlief nicht. Ich bekam alles mit, was sie sagten, sogar über die Musik hinweg.
»Conrad benimmt sich unmöglich«, sagte meine Mutter leise. »Gestern Abend hat er seine Bierflaschen hier draußen stehen lassen, und ich durfte sie heute Morgen wegräumen. Das artet langsam aus.«
Susannah seufzte. »Ich glaube, er weiß, dass etwas im Busch ist. Seit Monaten verhält er sich jetzt schon so. Er ist so sensibel, ich weiß, es wird ihn härter treffen.«
»Meinst du nicht, dass es Zeit wäre, es den Jungen zu sagen?« Wenn meine Mutter sagte »Meinst du nicht?«, dann hieß das so viel wie: Ich meine das. Und das solltest du auch.
»Wenn der Sommer vorbei ist. Das ist immer noch früh genug.«
»Beck«, sagte meine Mutter. »Ich meine, es wird Zeit.«
»Dräng mich nicht, Laur«,
Weitere Kostenlose Bücher