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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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tatsächlich den Nerv, ein ernsthaft verwirrtes Gesicht zu machen, sogar ängstlich zu gucken. Bei ihm gehörten diese beiden Gefühle zusammen – verwirrt sein machte ihm Angst. Aber da er kaum einmal verwirrt war, war er auch kaum einmal ängstlich. Und ganz gewiss war er es noch nie meinetwegen gewesen. Ich spielte keine Rolle in seinem Leben. Das war einfach so.
    »Willst du’s ehrlich wissen?« Mein Herz klopfte laut in meiner Brust. Ich fühlte mich seltsam gereizt, während ich auf seine Antwort wartete.
    »Ja.« Conrad sah verwundert aus, so als könnte er es selbst nicht glauben, dass ihm meine Antwort wichtig sein sollte.
    Das Problem war nur, dass ich es selbst nicht genau wusste. Vermutlich hatte es hauptsächlich mit dem Gefühlschaos zu tun, das er in mir auslöste. Damit, dass er mal nett zu mir war und mir im nächsten Augenblick die kalte Schulter zeigte. Er machte, dass ich mich an Dinge erinnerte, an die ich mich nicht erinnern wollte. Nicht jetzt. Es lief ja wirklich so gut mit Cam, aber jedes Mal, wenn ich dachte, ich sei mir meiner Gefühle sicher, sah Conrad mich auf eine bestimmte Art an oder wirbelte mich herum oder nannte mich Bells, und schon war alles andere bloß noch Mist.
    »Wieso gehst du nicht eine rauchen?«
    Seine Kiefermuskeln zuckten. »Okay«, sagte er.
    Mit einer Mischung aus Schuldbewusstsein und Zufriedenheit nahm ich zur Kenntnis, dass ich ihn endlich einmal kalt erwischt hatte. Bis er sagte: »Wieso guckst du nicht in den Spiegel?«
    Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Es war so beschämend, erwischt worden zu sein, die eigenen schlechten Seiten so offen daliegen zu sehen. Hatte er mich beobachtet, wie ich mich prüfend im Spiegel betrachtet, mich bewundert hatte? Hielten mich alle jetzt für eitel und oberflächlich?
    Ich kniff die Lippen zusammen und trat ein paar Schritte zurück. Dabei schüttelte ich langsam den Kopf.
    »Belly«, fing er an. Es tat ihm leid. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Ich ließ ihn stehen und ging ins Wohnzimmer zurück. Cam und Jeremiah starrten mich an, als wüssten sie, dass etwas passiert war. Hatten sie uns gehört? Und wenn schon – kam es darauf an?
    »Jetzt darf ich mal spielen«, sagte ich. Konnte es so sein, dass alte Lieben so starben, nicht mit einem großen Knall, sondern mit einem Wimmern, langsam – und dann war es aus, einfach so.

32
    Cam kam wieder vorbei, und dieses Mal blieb er lange. Gegen Mitternacht fragte ich ihn, ob er Lust auf einen Strandspaziergang habe. Wir gingen los und hielten uns an den Händen. Das Meer sah silbern aus und unendlich tief, so als wäre es eine Million Jahre alt. War es ja vermutlich auch.
    »Wahrheit oder Pflicht?«, fragte Cam.
    Mir war nicht nach irgendwelchen Wahrheiten zumute. Plötzlich hatte ich einen Einfall, aus dem Nichts sozusagen: Ich wollte nackt schwimmen gehen. Mit Cam. Das machten ältere Jugendliche oft am Strand. Das war wie Knutschen im Autokino. Zusammen nackt schwimmen gehen wäre der Beweis. Dafür, dass ich erwachsen war.
    Also sagte ich: »Ich schlag ein anderes Spiel vor, Cam: Würdest du lieber …? Also: Würdest du lieber jetzt sofort nackt schwimmen gehen oder …« Mir fiel bloß so schnell keine Alternative ein.
    »Das Erste, das Erste«, sagte Cam grinsend. »Oder beides, egal, was das Zweite ist.«
    Plötzlich wurde mir schwindlig, so als wäre ich betrunken. Ich rannte los in Richtung Wasser und schmiss mein Sweatshirt in den Sand. Ich hatte noch meinen Bikini drunter. »So sind die Regeln«, rief ich, während ich meine Shorts aufknöpfte. »Keiner darf nackt sein, bevor wir nicht ganz untergetaucht sind! Und heimlich geguckt wird nicht!«
    »Warte«, rief er und rannte mir hinterher, dass der Sand in alle Richtungen aufflog. »Willst du das jetzt echt machen?«
    »Na klar. Du nicht?«
    »Schon, aber was, wenn deine Mom uns sieht?« Cam warf einen kurzen Blick über die Schulter zum Haus.
    »Wird sie nicht. Es ist zu dunkel, da kann man vom Haus aus nichts sehen.«
    Er sah erst mich an, dann wieder zum Haus hinüber. »Vielleicht später«, sagte er zögernd.
    Ich starrte ihn an. Sollte er nicht eigentlich mich überreden? »War das jetzt ernst gemeint?«, fragte ich ihn. Was ich eigentlich sagen wollte, war: »Bist du vielleicht schwul?«
    »Ja. Es ist noch nicht spät genug. Vielleicht laufen ja noch Leute draußen rum.« Er hob mein Sweatshirt auf und hielt es mir hin. »Wir können ja vielleicht später noch mal herkommen.«
    Aber das war nicht sein

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