Der Sommer, als ich schön wurde
ein Wort ein schlechtes Gewissen machen.
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Mein Geburtstag markierte immer auch den Anfang vom Ende des Sommers. Er war immer das Letzte, worauf ich mich freuen konnte. Und diesen Sommer wurde ich sechzehn. Süße sechzehn – angeblich etwas ganz Besonderes, Großartiges. Taylor hatte für ihre Feier extra einen Saal gemietet, ihr Cousin war als DJ engagiert, und sie hatte schon die ganze Schule eingeladen. Seit Ewigkeiten plante sie dieses Fest. Meine Geburtstage im Sommerhaus sahen jedes Jahr gleich aus: Kuchen, Scherzgeschenke von den Jungen und Blättern in alten Fotoalben, zwischen meiner Mom und Susannah auf der Couch. Jeden Geburtstag meines Lebens hatte ich hier in diesem Haus verbracht. Es gibt Bilder von meiner Mutter auf der Veranda, da war sie mit mir schwanger. Sie hat ein Glas Eistee in der Hand, einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf und mich im Bauch. Auf anderen Bildern sind wir vier zu sehen, Conrad, Steven, Jeremiah und ich, wie wir über den Strand rennen – splitternackt, nur den Geburtstagshut auf dem Kopf, renne ich hinter den anderen her. Erst mit vier wurde ich von meiner Mutter in einen Badeanzug gesteckt, vorher ließ sie mich einfach so herumlaufen.
Ich erwartete nicht, dass an diesem Geburtstag irgendetwas anders sein würde. Was gleichzeitig tröstlich und ein bisschen deprimierend war. Nur Steven würde dieses Mal fehlen – mein erster Geburtstag, an dem mein Bruder nicht versuchen würde, sich vorzudrängen, um die Kerzen auf meinem Kuchen vor mir auszublasen.
Was ich von meinen Eltern bekommen würde, wusste ich schon: Stevens altes Auto. Sie ließen es gerade neu lackieren. Im neuen Schuljahr würde ich Fahrstunden nehmen, und bald würde ich niemanden mehr bitten müssen, mich im Auto mitzunehmen.
So ganz wurde ich den Gedanken nicht los, ob irgendwer zu Hause daran denken würde, dass ich Geburtstag hatte. Irgendwer außer Taylor. Sie würde daran denken, wie immer. Sie würde mich um Punkt 9:02 anrufen und wie jedes Jahr Happy Birthday für mich singen. Das war ja auch alles schön und gut, das Dumme an so einem Sommergeburtstag war bloß, dass man, wenn man verreist war, nicht mit den Freunden von der Schule feiern konnte. Keine Luftballons am Schließfach und solche Sachen. Vorher hatte es mir nie wirklich etwas ausgemacht. In diesem Jahr schon. Ein bisschen jedenfalls.
Meine Mutter schlug mir vor, Cam einzuladen. Aber das tat ich nicht. Ich erzählte ihm nicht einmal, dass ich bald Geburtstag hatte. Ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass er irgendwas tun müsse. Aber das war nicht alles. Ich dachte, wenn dieser Geburtstag schon wie alle anderen sein würde, dann sollte er auch wirklich komplett so sein. Dann wollte ich ihn auch nur mit meiner Sommerfamilie feiern.
Als ich morgens aufwachte, duftete das ganze Haus nach Butter und Zucker. Susannah hatte mir einen Geburtstagskuchen gebacken. Er bestand aus drei Schichten und war rosa glasiert mit weißem Rand. Mit Zuckerguss hatte sie in großen Schnörkeln Happy Birthday, Belly darauf geschrieben. Wunderkerzen zischten und sprühten Funken wie wild gewordene Glühwürmchen. Susannah und meine Mutter stimmten ein Geburtstagslied für mich an, und Susannah machte Conrad und Jeremiah Zeichen, sie sollten mitsingen. Das taten sie auch, allerdings grässlich falsch.
»Wünsch dir was, Belly«, sagte meine Mutter.
Ich war noch im Schlafanzug und konnte gar nicht aufhören zu lächeln. An den letzten vier Geburtstagen hatte ich mir immer dasselbe gewünscht. Nicht dieses Jahr. Dieses Jahr würde ich mir etwas anderes wünschen. Ich sah zu, wie die Kerzen abbrannten, dann machte ich die Augen zu und pustete.
»Mach mein Geschenk zuerst auf«, sagte Susannah. Sie drückte mir eine schmale Schachtel in rosa Geschenkpapier in die Hände.
Meine Mutter sah sie fragend an. »Was gibt das jetzt, Beck?«
Susannah lächelte geheimnisvoll und drückte mein Handgelenk. »Mach’s schon auf, Süße.«
Ich riss das Papier auf und öffnete die Schachtel. Darin lag eine Perlenkette, eine ganze Reihe cremeweißer Perlen mit einem funkelnden Goldverschluss. Die Kette sah alt aus, nicht wie etwas, was man heute kaufen konnte, eher wie die Schweizer Standuhr meines Vater. So schön war sie gearbeitet, bis hin zum Verschluss. Es war das Schönste, was ich je gesehen hatte.
»O mein Gott«, hauchte ich und nahm sie aus der Schachtel.
Ich sah erst Susannah an, die übers ganze Gesicht strahlte, und dann meine Mutter. Ich erwartete,
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