Der Sommer auf Usedom
vielversprechend perlte.
»Signora«, sagte er und schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln. »Prego!« Nachdem er auch André ein Glas serviert hatte, sagte er: »Salute!«, nickte ihnen zu und ging.
»Es ist nicht zu früh für Alkohol, oder?« André warf ihr einen betont unschuldigen Blick zu.
»Die Frage kommt ein bisschen spät«, erwiderte sie. »Vielleicht hätten wir erst einmal Wasser trinken sollen.«
»Können wir hinterher immer noch.«
»Willst du mich betrunken machen?«
»Eine reizvolle Vorstellung.« Er sah ihr tief in die Augen, während er sein Glas griff. »Auf dein Wohl!« Ohne den Blickkontakt abreißen zu lassen, stieß er mit ihr an. Diese ausdrucksvollen braunen Augen, der Blick auf das Meer und der Duft des Salzwassers, dazu das helle Klingeln des Kristalls, das vom Rauschen der Ostsee und dem leisen Murmeln des Windes eingerahmt wurde, all das machte sie ganz benommen. Sie fühlte sich, als habe sie bereits einen Schwips, bevor sie auch nur einen Schluck genommen hatte.
»Du bist ganz schön mutig«, stellte sie fest. Er sah sie fragend an. »Erst führst du mich hierher, wo man dich offensichtlich kennt, dann flößt du mir Alkohol ein, obwohl du gar nicht weißt, wie ich mich aufführe, wenn ich etwas getrunken habe. Vielleicht bin ich total peinlich.«
»Dann sage ich einfach, ich muss mal auf die Toilette und lasse dich sitzen.«
»Sehr nett, danke schön.«
»Außerdem bestelle ich zum Essen sowieso nur Wasser.« Er legte den Kopf schief. »Erst mal.«
Nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten, unterhielten sie sich über das Leben auf einer Insel und die Eigenheiten, die es im Gegensatz zu dem Leben in einer Metropole mit sich brachte. Jasmin erzählte, wie groß die Umstellung für Gabi am Anfang und manches Mal auch jetzt noch war.
»Lebt deine Freundin alleine?«
»Ja.«
»Ich hätte wetten können!« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Warum sind so viele Frauen alleine? Habt ihr zu hohe Ansprüche?«
»Sie war verheiratet. Ihr Mann ist gestorben.« Jasmin erzählte von Thorsten und davon, wie perfekt die beiden als Paar gewesen waren. »Die beiden haben immer voneinander gesagt, der andere sei die bessere Hälfte. Und interessanterweise stimmtees auch bei beiden.« Sie lächelte traurig. »Sie hatten beide ihre Defizite und Macken, die der andere perfekt ausgeglichen hat. Ist dir schon einmal etwas in zwei Teile zerbrochen, und du hast die beiden Stücke aneinandergehalten und kaum noch gesehen, dass es einen Bruch gibt? So war es mit Thorsten und Gabi. Klingt kitschig, aber zusammen haben die zwei eine vollkommene Harmonie ausgestrahlt, die jeder gespürt und auch jeder gemocht hat.«
»Wie kommt sie mit dem Verlust klar?«
Jasmin zuckte mit den Schultern. »Es ist schwer, aber sie versucht, tapfer zu sein. Sie sagt immer: Du kannst die Vögel auch bei Regen singen hören, du musst nur die Ohren spitzen.«
»Ein kluger Satz.«
»Sie ist ja auch eine kluge Frau.« Eine Weile schwiegen sie, und Jasmin dachte, dass sie Gabi das einmal sagen musste. Sie hielt sie wirklich für eine kluge und bewundernswerte Frau. Ihre Freundin hatte es verdient, das auch einmal gesagt zu bekommen.
»Das Leben kann schon richtig gemein sein«, sagte er in ihre Gedanken. »Es gibt so viele, die sich auseinandergelebt haben und es nur noch aus Gewohnheit miteinander aushalten. Andere wechseln ständig den Partner, weil sie bei jeder Kleinigkeit weglaufen. Wenn ich mich so umsehe, stelle ich fest, dass die meisten heute alles haben wollen, einen perfekten Partner, der aber bitte auch Ecken und Kanten haben soll. Sympathische, liebenswerte Kanten, versteht sich. Und er soll einen glücklich machen. Nur von sich selber erwarten die Leute nichts mehr. Dabei ist man doch zu einem guten Teil selbst für sein Glück verantwortlich, oder nicht?«
»Irgendwie schon.« Jasmin dachte darüber nach, dann sagte sie: »Aber eben doch nur zu einem Teil. Es gibt so viele Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Was soll man zum Beispiel machen, wenn einem der Richtige nicht über den Weg läuft? Oder er tut es, und man verliert ihn wieder?« Sie sah auf. Ihre Blicke trafen sich, und sie merkte, wie sie eine Gänsehaut bekam.Dieser Mann, der erst vor wenigen Tagen in ihr Leben gestolpert war, gefiel ihr mehr, als sie gedacht hatte. Es fühlte sich gut an, mit ihm zusammen zu sein. »Was ist mit dir? Hast du eine Freundin?«, fragte sie schnell, bevor sie der Mut wieder verließ.
Er
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