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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Fahrt hierher drei, vier Stunden dauerte, aber auch in diesem Punkt ist sie sich nicht sicher. Der brutale Kerl, der sie mit vorgehaltener Waffe in den Wagen zwang und den Mann vom Schlüsseldienst umbrachte, hat ihre Armbanduhr und alle Handys kassiert. Kurz zuvor hatte sie eine Mail von Karin bekommen mit der besorgniserregenden Botschaft
Sie haben mich erwischt!
und einem Foto, auf dem Karin in einer dunklen Höhle angekettet ist. Obwohl es Mary äußerst schwerfällt, sich nichts anmerken zu lassen, dürfen die Kinder nichts davon erfahren, weil sie sich sonst noch mehr fürchten.
    Vergeblich bemüht sie sich zu begreifen, was hier gespielt wird. Aus welchem Grund hat man sie und die Kinder entführt? Wieso legt jemand Karin in Ketten? Und wo steckt eigentlich Mac?
    In einem Anflug von Verzweiflung gesteht Mary sich ein, dass sie komplett von der Außenwelt abgeschnitten sind.
    Mary rekapituliert die Geschehnisse: Der Mann nimmt ihnen die Handys ab, zertrümmert sie mit dem Absatz und klaubt die Einzelteile zusammen. Auf der Fahrt kriegt Mary trotz verbundener Augen mit, wie er etwas aus dem offenen Fenster wirft, Beweise vernichtet. Danach liefert er sie in diesem abgelegenen Haus ab und verschwindet mitsamt seinem Lieferwagen auf Nimmerwiedersehen. Bis auf das Auto des weißhaarigen Alten und Emilianas kleinen roten Fiat, der neben dem Haus parkt, ist kein Fahrzeug hier aufgetaucht.
    «Jetzt zählt nur», trichterte sie den Teenagern gleich nach ihrer Ankunft ein, «dass wir hier mit heiler Haut rauskommen.» Und sie ermahnt die beiden, sich still zu verhalten und keine Scherereien zu machen, bis sie wissen, was hier läuft und ob es vielleicht eine Fluchtmöglichkeit gibt. Die ansonsten so ausgelassenen Teenager akzeptieren, dass sie sich zusammenreißen und spuren müssen.
    Ihre Gesellschaft besteht aus Emiliana, dem alten Mann, der körperlosen Stimme einer zweiten Frau, der sie noch nicht begegnet ist, und zwei bewaffneten Aufpassern, die beharrlich schweigen und jeglichen Blickkontakt vermeiden. Zum Glück sind da noch die Kinder. Als Mary Ben an sich drückt und ihn bittet, keinen Mucks von sich zu geben, steigt ihr sein salziger Geruch in die Nase. «Wir müssen leise sein. Nach dem Essen spiele ich mit dir, okay?»
    Er nickt pflichtschuldig.
    «Schaffst du es, ganz still zu sein?», flüstert sie ihm ins Ohr.
    Erst als er abermals nickt, gibt sie ihn frei. Mit hochrotem Kopf dreht er sich weg und kämpft gegen die Tränen an. Bei seinem Anblick wird ihr ganz schwer ums Herz. Er ist noch zu jung, um seine Angst zu überwinden. Wieder schließt sie ihn in die Arme, drückt ihn an sich, fährt mit der Hand über seinen Rücken. Sie ahnt, wie sehr ihm das alles zusetzt, wie gern er brüllen, herumlaufen, draußen spielen möchte, wie sehr ihm seine Eltern fehlen, doch es ist ihre Pflicht, für die Sicherheit der Kinder zu sorgen, und genau das wird sie tun – koste es, was es wolle.
    Dathi und Fremont kommen hereingeschlurft. Das Mädchen schläft seit ihrer Ankunft schlecht und ist erschöpft. Free wirkt schmal, und sein Blick ist leer, obwohl er innerlich rebelliert.
    Von dem, was Mary aus den Fenstern sehen kann, grenzt das einsame Anwesen auf einer Seite ans Meer und ist sonst nur von Wiesen umgeben. Perfekt für jemanden, der ungestört ausspannen möchte. Es scheint sich um ein Ferienhaus zu handeln. Es ist mit allem ausgestattet, was man so braucht: Bettwäsche, Geschirr, Töpfe, kleine Shampooflaschen und Seifen wie im Hotel und sogar eine Waschmaschine und einen Trockner, für die sie keine Verwendung hat, denn man hat ihnen nicht erlaubt, ihre Sachen mitzunehmen.
    Links neben dem Haus steht noch es ein kleiner Bungalow, wo anscheinend Emiliana wohnt. Entweder schieben die beiden Aufpasser rund um die Uhr Wache, oder sie werden abgelöst, ohne dass Mary es mitkriegt. Die Männer – vom Scheitel bis zur Sohle ganz in Schwarz gekleidet und mit Maschinengewehren und Pistolen bewaffnet – sehen aus wie diese austauschbaren Schurken aus Action- oder Abenteuerfilmen.
    Vorder- und Hintertür des Hauses sind von außen zugesperrt, die Fenster mit schmiedeeisernen weißen Gittern gesichert. In so einem abgeschiedenen Haus kann man sich als Tourist sicher fühlen und muss nicht befürchten, nachts oder tagsüber von ungebetenen Gästen behelligt zu werden. Wer kriegt an diesem gottverlassenen Fleckchen schon mit, ob das Haus gerade bewohnt wird oder leer steht? Und genau dieser Umstand jagt Mary einen

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