Der Sommer der Frauen
hast so unglaublich viel durchgemacht, Tante Lolly», sagte June, und ihr Herz zog sich vor lauter Mitgefühl schmerzlich zusammen. Ehemann und Schwester Opfer eines betrunkenen Autofahrers. Die große Liebe abgewiesen. Krebs. «So viel Leid.»
Lollys Augen füllten sich mit Tränen. «Ich wollte euch all das schon viel früher erzählen. Aber als ich dann mitbekam, was Edwards Affäre mit Isabel angerichtet hatte, konnte ich euch doch unmöglich sagen, dass ich auch eine Affäre hatte.»
Isabel setzte sich zu Lolly aufs Sofa und nahm ihre Hand. «Kat hat recht, Tante Lolly. Man versucht doch eigentlich immer sein Bestes. Und manchmal fühlt sich, was falsch ist oder eigentlich falsch sein sollte, richtig an. Auf diese Weise versuche ich zumindest in dem, was Edward mir angetan hat, einen Sinn zu erkennen.»
«Aber was Edward getan hat, war falsch», sagte Lolly. «Was ich getan habe, war falsch.»
«Die Liebe deines Lebens aufzugeben, war auch falsch», sagte Isabel. «Ich weiß sehr wohl, dass ich neulich, als wir uns die
Brücken am Fluss
ansahen, noch nicht so gedacht habe. Ich fand, dass Meryl Streep am Ende die richtige Entscheidung traf, als sie Clint Eastwood aufgab, auch wenn sie sich damit selbst das Herz gebrochen hat. Und der Meinung bin ich immer noch, denn in ihrer Situation war es tatsächlich richtig. Aber du, Lolly, du wärst frei gewesen, Harrison zu lieben. Stattdessen hast du dich bestraft.»
«Ich glaube, die Menschen bestrafen sich ständig – vielleicht, ohne es zu wissen, unter dem Vorwand ‹das Richtige› zu tun», sagte Kat. «Aber manchmal kann das Falsche das Richtige sein. Falls ich jetzt nicht völligen Blödsinn rede.»
Lolly sah ihre Tochter an und nickte. «Das ist kein Blödsinn. Aber – aber wie geht es dir jetzt damit, Kat? Hasst du mich denn nicht?»
In dem normalerweise so gleichgültigen Gesicht ihrer Tante konnte June flehende Hoffnung sehen.
«Ich könnte dich niemals hassen, Mom. Nie im Leben. Ich will nur, dass du glücklich bist.»
Lolly und Kat umarmten sich noch einmal, dann stand Lolly auf und steckte die DVD zurück in die Hülle. Sie stützte sich am Regal ab, als verließe sie die Kraft, dann fuhr sie sich mit der Hand an die Stirn. Sie fing an zu schwanken und musste sich mit beiden Händen an der Wand abstützen.
«Mom? Alles in Ordnung?», fragte Kat bestürzt.
«Mir ist so komisch», sagte Lolly. «Im Kopf und –»
Lolly kippte um und stürzte zu Boden.
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18. Kat
E s musste wohl an den Sternen gelegen haben, dachte Kat, oder an einem bestimmten Glitzern in der Bucht, das Matteo ausgerechnet in dem Augenblick an sie denken ließ, als sie ihn am dringendsten brauchte. Er meldete sich genau in dem Augenblick, als die Angst, die sie in den letzten Tagen eisern im Griff gehalten hatte, allmählich nachließ, weil Lolly sich langsam wieder von der Infektion erholte, die ihr so zugesetzt hatte. Lolly war noch Freitagabend ins Krankenhaus eingeliefert worden, und Kat hatte seitdem nur Gedanken für sie gehabt. Jetzt sehnte sie sich nach Matteo – nach seinem Wissen, seinen persönlichen Erfahrungen. Nach dem Klang seiner Stimme, die die Macht hatte, Kat weit wegzubringen, und sei es auch nur für einen Moment.
Er war im Krankenhaus ziemlich oft aufgetaucht, um nach Lolly zu sehen. Bei einer Gelegenheit war auch Oliver gerade da gewesen, was für ziemlich angespannte Stimmung gesorgt hatte, die auch Lolly nicht entgangen war. Matteo hatte Kat täglich angerufen, um sie auf dem Laufenden zu halten, ihr zu sagen, dass ihre Mutter gegen die Infektion – bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem nichts Ungewöhnliches – ankämpfte und dass sie es schaffen würde. Diese Anrufe hatten Kat geholfen, durchzuhalten.
Als Lolly dann am Montag wieder aus dem Krankenhaus nach Hause kam, brachten Isabel, June und Kat sie in ihrem Zimmer ins Bett und machten es ihr bequem. Auch die Tagesschwester, die sie inzwischen organisiert hatten, war zusätzlich auf Abruf. Dann setzten sie sich zu dritt mit einer Kanne starkem Kaffee in die Küche und machten einen «Lolly-Pflege-Plan», um zu gewährleisten, dass ab sofort rund um die Uhr eine von ihnen zur Verfügung stand. Die Tagesschwester würde von Montag bis Freitag täglich von neun bis fünf für Lolly da sein, Kat und ihre Cousinen würden die Nachtwache und den frühen Morgen übernehmen.
Als Kat ins Zimmer ihrer Mutter ging, um nach ihr zu sehen, las die Krankenschwester ihr gerade
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