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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia March
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gesprochen, dass ich deinen Vater verlasse, Kat. Den ganzen Herbst und den ganzen langen, kalten Dezember über habe ich darüber nachgedacht.»
    «Du hättest Dad beinahe verlassen!», flüsterte Kat. «Ich fasse es nicht!»
    «Und dann passierte der Unfall», sagte Lolly. «Es war meine Schuld.»
    Kat stockte der Atem. June und Isabel starrten sich an.
    «Deine Schuld?», fragte Kat. «Wieso sollst du Schuld daran sein?»
    «Als meine Schwester damals in der Neujahrsnacht anrief, damit einer von uns sie und Gabriel abholte, habe ich deinen Vater gebeten zu fahren.» Lollys Stimme stockte, und von irgendwo tief aus ihrem Inneren brach sich ein schrecklicher und kehliger Laut Bahn. «Ich bat ihn zu fahren, um in der Neujahrsnacht fünfzehn Minuten mit Harrison zu haben – am Telefon.» Sie schlug schluchzend die Hände vors Gesicht. June ergriff die Hand ihrer Schwester. Kat starrte ihre Mutter fassungslos an.
    «Ich hatte eine Affäre, ich dachte daran, Ted zu verlassen. Und deshalb habe ich meinen Ehemann verloren, den Vater meiner Tochter, und meine Schwester und ihren Mann. Aus meinen beiden Nichten wurden Vollwaisen.» Lolly holte tief Luft und verstummte. Dann hob sie den Blick und sah Kat an. «Ich habe deinen Vater gebeten zu fahren. Um in Ruhe mit meinem Liebhaber zu telefonieren. Wenn ich gefahren wäre, hätte ich vielleicht einen anderen Weg genommen oder ich wäre ausgewichen – es wäre alles nie passiert. Alles wäre anders gewesen.»
    «Tante Lolly, das darfst du dir nicht antun», sagte June. «Man kann mit der Vergangenheit kein Was-Wenn spielen. Es war ein schrecklicher Unfall. Ein Unfall!»
    «Mom. Hast du Dad geliebt?», fragte Kat flüsternd.
    «Ich habe ihn mehr geliebt, als mir je klar war», sagte Lolly. «Als er starb, war ich am Boden zerstört. Mir wurde klar, wie sehr ich ihn liebte. Dass ich ihn nur auf Abstand hielt, weil ich so verdammt große Angst hatte, ihn zu verlieren. Bis ich ihn dann tatsächlich verlor.»
    «Oh, Tante Lolly», sagte Isabel mitfühlend.
    June saß stumm da. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie hatte Henry ganz ähnlich behandelt, ihn von sich gestoßen.
    «So wie ich jetzt vielleicht Oliver verliere», sagte Kat leise.
    Lolly sah ihre Tochter fest an. «Ich weiß nur, dass es jetzt sehr wichtig ist, ehrlich zu sein. Wichtiger als jegliche Konsequenzen.»
    June wusste, was Lolly damit meinte. Die Wahrheit musste auf den Tisch, auch wenn das vielleicht bedeutete, jemandem das Herz zu brechen. Weil am Ende nur die Wahrheit das Glück ihrer Tochter retten konnte.
    «Ich hatte eine solche Angst, dass ich euch beiden keine gute Mutter sein würde», sagte Lolly zu June und Isabel. «Und bei jedem Gedanken an Kat brach mir das Herz.» Wieder sah sie ihrer Tochter in die Augen. «Ihr standet euch so nah, du und dein Vater. Ich habe mich so geschämt für alles, was passiert ist, dass ich Harrison den Laufpass gab.» Lolly starrte zu Boden. «Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn niemals wiedersehen will. Und so kam es dann auch. Er war ein wunderbarer Mann. Damals war ich davon überzeugt, dass er all das verkörperte, von dem ich jemals geträumt hatte.»
    «Und was glaubst du heute?», wollte Kat wissen.
    «Ich glaube, dass ich in jener Nacht etwas Schreckliches getan habe.»
    Kat war furchtbar blass, und ihre Hände zitterten. «Weißt du was, Mom?», sagte sie, und Junes Herz fing heftig an zu pochen. Sie würde es nicht ertragen, wenn Kat jetzt etwas Grausames sagte. «Ich glaube, wenn ich damals in deiner Situation gewesen wäre, wenn Oliver in der Silvesternacht bei mir gewesen wäre und Matteo einen Anruf weit weg, dann hätte ich vielleicht dasselbe getan wie du. Weil man es nicht wissen kann. Man weiß nicht, was in der Zukunft liegt. Was als Nächstes geschehen wird. Man kann nur das tun, was man im jeweiligen Augenblick für richtig hält. Oder was sich richtig anfühlt.»
    Lolly umarmte Kat und hielt sie ganz fest. «Ich habe deinen Vater sehr geliebt. Mir war nicht klar wie sehr, bis er unwiederbringlich verloren war. Aber es war trotzdem ein Glück für mich, Harrison begegnet zu sein. Ich habe ihn geliebt. Und ich habe ihn nie vergessen. Nie aufgehört, mich zu fragen: was, wenn.» Sie rückte ein wenig ab und sah ihrer Tochter fest in die Augen. «Ein Leben in Reue ist das Schlimmste, was es gibt. Das wollte ich dir schon lange sagen, aber ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, ohne dir zu erzählen, woher ich diese Erkenntnis hatte.»
    «Du

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