Der Sommer der Frauen
sich rechtfertigen zu müssen. Wieso eigentlich? «Aber meine Tante ist krank, und ich bin zurückgekommen, um ihr zu helfen.»
Sie nickten alle gespielt mitfühlend, bis auf Marley Sowieso jedenfalls, die zu sehr in die neue
Vogue
-Ausgabe vertieft war, die an der Kasse auslag.
«Dann kommst du ja im Oktober sicher auch zum Ehemaligentreffen», sagte Pauline. «Beim Fünfjährigen hatten sich alle gefragt, warum du nicht dabei bist, und da habe ich ihnen ganz dezent deine …
Situation
geschildert», fügte Pauline flüsternd hinzu, als hätte June eine ansteckende Krankheit.
Das jährliche Ehemaligentreffen der Schule. Ha! Da würde June ganz bestimmt nicht hingehen. Es reichte schon, dass die Hälfte ihrer Klassenkameraden zum Labor-Day-Wochenende die Stadt überschwemmte. «Das hängt ganz davon ab, wie es meiner Tante dann geht.»
«Natürlich», sagte Carrie und bewunderte ihren Ring. «Ach, hast du eigentlich schon gehört, dass Pauline inzwischen stellvertretende Chefredakteurin beim
New York City Magazine
ist? Sie hat die Beförderung mit einem unglaublichen Fest gefeiert! O Gott, du solltest mal ihre Wohnung sehen! Mit Terrasse und Blick aufs Empire State Building und eine Million Lichter.»
«Das ist ja toll, Pauline», sagte June und ihr versetzte es unwillkürlich einen Stich. Denn es war tatsächlich toll. Es war genau das Leben, von dem June geträumt hatte.
Während die Frauen durch den Laden schlenderten, Regale und Ausstelltische musterten, ließ Pauline ganz beiläufig eine Bemerkung über ihren Freund fallen, der irgendein Seniorproducer bei ABC war, über ihre Ferienwohnung auf den Hamptons und über das neue Boot, das ihre Eltern, die in einem der schönsten Uferhäuser von Boothbay Harbor lebten, sich diesen Sommer zugelegt hatten. «Zu schade, dass ich nur übers verlängerte Wochenende bleiben kann. Es ist so herrlich hier!» Pauline und Carrie stellten sich mit den Armen voller Bücher an die Kasse. «Du hast wirklich Glück, Juney, weil du das ganze Jahr über hier leben darfst. In der Stadt ist es im Sommer viel zu heiß!»
«Ich kann mich erinnern», sagte June und rechnete ihre Käufe zusammen. Pauline kaufte einen literarischen Bestseller, die Memoiren von irgendwem, einen Reiseführer über den Machu Picchu und die Gesamtausgabe von
Harry Potter
im Hardcover – für ihre «begabte achtjährige Nichte». Carrie kaufte zwei Promi-Kochbücher. Marley Sowieso kaufte nichts. Dafür hatten Pauline und Carrie gemeinsam ein kleines Vermögen dagelassen. Wenigstens etwas.
Pauline steckte die goldene Kreditkarte zurück in die Geldbörse und nahm die Tüte vom Tresen. «Neulich habe ich meine Schwester besucht, als ihr Mann auf Geschäftsreise war. Meine Güte, Juney, ich ziehe wirklich den Hut vor alleinerziehenden Müttern. Wir mussten alles selber machen, pausenlos! Ich habe wirklich keine Ahnung, wie du das schaffst. Es muss echt hart sein.»
June konnte die Herablassung förmlich aus Paulines glänzendem Mund tröpfeln sehen.
«Was für alleinerziehende Mütter am schlimmsten ist», sagte Carrie, «… ist, dass sie überhaupt keinen Rückhalt haben. Sie müssen alles alleine machen, und es gibt nicht mal einen Ehemann, den man auf seiner Geschäftsreise anrufen kann, um ihm die Ohren vollzujammern. Das muss unglaublich hart und einsam sein.»
Gott, wie June diese Weiber hasste!
«June? Hast du mal eine Minute? Ich bräuchte kurz deine Hilfe hier im Büro», erschallte von hinten die Stimme von Henry Books.
Gerettet! Danke, Henry.
Die Frauen drehten sich zu Henry um, der auf sein Büro zusteuerte. «Wow, heißer Typ!», flüsterte Carrie. «Ist der zu haben?»
Marley Sowieso, die mit ihren riesigen blauen Augen, dem herzförmigen Gesicht und der zierlichen Figur in Junes Augen schon immer wie ein Engel ausgesehen hatte, blickte auf. «O ja, was für ein Fang!», sagte sie anerkennend. Wenigstens war das Erste, was sie zum Gespräch beitrug, nett. Und zutreffend.
«Gott, Marley, genau das ist der Grund, weshalb du immer noch ein so hoffnungsloser Single bist!», sagte Pauline. «Der ist doch kein Fang! Ich meine, er betreibt einen
Buchladen
. Ich bitte dich!»
«Was soll das denn heißen?», fragte June und starrte Pauline an.
Pauline verdrehte die Augen. «Ach, komm, du weißt genau, was ich meine!»
«Ja, voll und ganz.»
Und du tust mir leid. Danke, dass du mir die Augen geöffnet hast. Du bist nur eine oberflächliche, eingebildete Kuh. Und es ist mir völlig egal, was
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