Der Sommer der Frauen
mit dem Namen seines Lieblingsspielers beflockte Red-Sox-T-Shirts schenkten.
Und für June war es schön, beim Aufwachen nicht allein zu sein. Nicht ständig für jede Kleinigkeit selbst verantwortlich zu sein. Wie Klopapier kaufen. Platte Reifen flicken. Oder um zwei Uhr morgens Nasenbluten stillen. Auch wenn sie letzte Nacht schon länger hellwach gelegen hatte, als Charlie das ganze Haus aufweckte, weil er schreiend verkündete, dass seine Nase blutete. Sie hatte an Henry gedacht, an das, was er gesagt hatte.
Ich habe dich immer geliebt, June.
Ihr Henry. Die Tatsache, dass ein Mensch, den sie selbst so liebte, so glühend verehrte, derartige Gefühle für sie hegen konnte, verlieh ihr einen inneren Auftrieb, wie sie ihn noch nie im Leben verspürt hatte.
Du wirkst so glücklich …
Lag es an Henry? Ungeachtet der Tatsache, dass sie sich wegen John immer noch Hoffnungen machte?
Oder lag es daran, dass sie tatsächlich hier glücklich war? Hier, im Schoße ihrer Familie, von der auch Henry immer ein Teil sein würde. Während sie letzte Nacht Taschentuch um Taschentuch an Charlies arme Nase gedrückt hatte, hatte Isabel für ihn einen frischen Schlafanzug aus der Kommode geholt und das vollgeblutete Kopfkissen frisch bezogen. Mit einem Bezug mit kleinen blauen und roten Robotern.
Zum allerersten Mal hatten Charlie und sie eine Familie im wahrsten Sinne des Wortes. Sie waren von Menschen umgeben, die sich um sie kümmerten. Irgendwie waren sie sich im Laufe der letzten Wochen alle ganz unmerklich nähergekommen – während sie spätnachts dalagen und sich um Lolly Sorgen machten, während all der vielen kleinen und großen Dinge, die ihren neuen Alltag bestimmten und ihr Leben.
June trat an die Fliegentür. Charlie warf gerade Happys Lieblingsspielzeug über den Rasen. «Bereit für die neue Schule, Schätzchen?», rief sie.
«Bereit!», sagte er und kraulte den Hund zum Abschied noch mal kräftig durch. «Ciao, Happy!»
Lolly und June brachten Charlie gemeinsam zur Bushaltestelle an der nächsten Straßenecke, und als Charlie nach einer flüchtigen Umarmung für Großtante und Mutter in den Schulbus stieg, hatte June für einen kurzen Augenblick das Gefühl, ihr würde es das Herz zerreißen.
Auf dem Rückweg erzählte Lolly June, wie sie damals weinen musste, wenn sie Kat in den großen gelben Schulbus verfrachtet hatte und dem Bus nachsah, während ihr kleines Mädchen ganz allein in die große weite Welt verschwand.
Sie gingen Arm in Arm zurück, und June war sich nur allzu bewusst, wie langsam ihre Tante ging, viel langsamer als früher. Nach zwei belebenden Tassen Kaffee und Lollys Versicherung, dass es ihr gutgehe – «nun geh schon und kümmere dich um deine Recherchen» –, machte June sich auf den Weg in die herrlich kühle und ruhige Stadtbücherei, um sich an das öffentliche Computerterminal zu setzen.
Als wäre eine neue Umgebung im Gegensatz zu Lollys Büro oder Kats Laptop in der Lage, irgendetwas Neues zu Tage zu fördern. Doch June wusste nicht, was sie sonst noch hätte versuchen sollen, das sie nicht schon versucht hatte. Abgesehen davon, einen Privatdetektiv anzuheuern.
Vielleicht war das tatsächlich die einzige Möglichkeit. Sie hatte diesen Weg bis jetzt nicht eingeschlagen, weil sie die siebenhundert Dollar, die dazu nötig wären, einfach nie übrighatte. Ein einziges Mal hatte sie Kontakt zu einem Privatdetektiv aufgenommen. Der war so nett, ihr zu sagen, dass sie das, was er tun würde, nämlich online zu recherchieren, auch gut selbst machen und sich das Vorschusshonorar von zweihundertfünfzig Dollar sparen könnte. Ohne Sozialversicherungsnummer oder Geburtsdatum sei es schwierig, jemanden mit einem derart weit verbreiteten Namen aufzuspüren.
Sie hörte Kinder singen und folgte dem fröhlichen Klang in die Kinderbuchabteilung. Etwa zehn Kleinkinder saßen auf dem Schoß von Erwachsenen im Kreis, während eine Bibliothekarin mit ihnen Ringel Rangel Rosen spielte. June lächelte und dachte daran, wie sie Charlie das Lied immer vorgesungen und die Bewegungen dazu gemacht hatte.
Sie besorgte sich einen Internetzugang und ging hinauf zu den Computerterminals. Als sie bei den Sachbüchern vorbeikam, entdeckte sie Marley in einem Lesesessel, neben sich einen Stapel aufgeschlagener Bücher. June ging hinüber, um ihr Hallo zu sagen. Marley war dabei, eine Liste zu schreiben,
Was Ihr Baby wirklich braucht
auf dem Schoß.
«Hast du schon was von Kip gehört?», fragte June
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