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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia March
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für Oliver konnte Kat sich einfach nicht vorstellen, sich für irgendwelche Brautkleider zu begeistern, während ihre Mutter im Sterben lag.
    Ihre Mutter lag im Sterben. Die Wahrheit krallte sich in ihren Magen.
Eigentlich hatte ich dich doch nie richtig, und jetzt …
Eine Erinnerung drängte sich in ihr Gedächtnis. Es hatte in der Schule einen Vorfall gegeben, ein paar Mädchen hatten ihr ‹Waisenkind› hinterhergerufen. Es war nicht das erste Mal, dass sie gehänselt wurde, und als sie es schließlich gewagt hatte, sich June anzuvertrauen, hatte die ihr erklärt, das läge daran, dass sie so hübsch und nett wäre und dass es eben viele gemeine Mädchen gäbe, die deswegen neidisch waren. Offensichtlich wären diese Mädchen zu dumm, um zu wissen, was ein Waisenkind eigentlich ist, und Kat sollte sie einfach nicht beachten und zu ihrer Vertrauenslehrerin gehen. Danach hatte Kat sich ein bisschen besser gefühlt. Über solche Dinge hatte sie früher immer am liebsten mit ihrem Vater gesprochen, über gemeine Kinder und Beleidigungen und schlechte Noten in Schulaufgaben, für die sie gelernt hatte, denn ihr Vater hatte immer die richtigen Worte gefunden. Lolly hatte immer nur gesagt, sie solle sich zusammenreißen, nie ohne ihr berühmtes «Himmel noch mal!» als Extraprise Salz für die Wunde hinterherzuschießen, und nach dem Tod ihres Vaters hatte Kat sich nie an Lolly gewandt, wenn sie jemanden zum Reden brauchte. Im Gegenteil, wenn Lolly fragte, was los war, murmelte Kat «Gar nichts» und rannte davon. Manchmal schüttete sie June ihr Herz aus, die war immerhin drei Jahre älter und ziemlich schlau. Doch meistens hielt Kat sich an Oliver.
    Ihr war nie klar gewesen, wie sehr sie ihre Mutter auf Abstand gehalten hatte. Vielleicht hatte sie Lolly nach dem Tod ihres Vaters selbst nie eine Chance gegeben.
    Lolly setzte sich so mühsam auf, dass es Kat förmlich die Luft abschnürte. «Kat, weißt du, woran ich während der Chemotherapie denken musste, als ich mit meinem Schlauch im Arm da lag? An dich. Dich hier alleinzulassen. Erinnerst du dich noch daran, wie in
Mamma Mia!
die Tochter Angst hat, ihre Mutter alleinzulassen? Bei uns ist es umgekehrt. Ich habe Angst, dich alleinzulassen.»
    «Mom, ich –»
    «Kat, ich sehe zwar, dass ihr Mädchen euch langsam näherkommt, aber Isabel geht vielleicht nach Connecticut zurück und June irgendwann doch wieder nach Portland. Die Vorstellung, dass du alleine bist, macht mir einfach Angst. Ich will damit nicht sagen, dass du nicht ganz wunderbar in der Lage wärst, allein mit der Pension oder mit deinem Leben zurechtzukommen, aber ich kann dich hier nicht alleine lassen, Kat. Es würde mich so glücklich machen, dich mit Oliver verheiratet zu wissen. Zu wissen, dass du wohlbehalten und versorgt bist. Du weißt schon, wie ich das meine.»
    Kat stiegen die Tränen in die Augen. Ihre Mutter redete mit ihr, sagte ihr tatsächlich, was sie fühlte, und Kat wünschte, sie könnte ebenfalls endlich ihr Herz ausschütten, darüber sprechen, wie verwirrt sie war, was für widersprüchliche Gefühle in ihr herrschten. Aber wie sollte sie das tun, angesichts dessen, was Lolly gerade gesagt hatte?
    «Ich habe auch daran gedacht, wie sehr Oliver dich liebt. Und wie wunderbar er ist, wie wunderbar er schon immer gewesen ist», fuhr Lolly fort. «Weißt du noch, wie ihr beide damals, als dein Vater starb, immer unter den Büschen zwischen den beiden Häusern gehockt habt? Oliver saß stundenlang mit dir da draußen, eingemummelt in Schneeanzüge und Fäustlinge, und manchmal ist er zwischendurch nach Hause gelaufen, um Thermoskannen mit heißer Suppe oder Kakao zu holen. Du wolltest sehr lange Zeit nirgendwo anders sein als unter diesen Büschen, und er blieb draußen in der Eiseskälte bei dir sitzen, stundenlang. Er war erst zehn. Genau wie du.»
    «Ich weiß», sagte Kat.
    «Ich werde dich niemals verlassen», hatte Oliver damals immer zu ihr gesagt. «Das verspreche ich dir. Sollen wir einen Blutschwur machen?» Und das taten sie auch, diverse Male.
    Einen Moment lang war Lolly in Gedanken. «Und als wir beide vor ein paar Jahren mit Streptokokken flachlagen und Pearl auch krank war, da hat Oliver sich um die Pension gekümmert, und um uns. Weißt du noch, wie er zu Chowhounds gefahren ist und uns diese köstliche Suppe mitgebracht hat?»
    «Und heiße Schokolade aus dem Harbor Lights. Mit dicken, fetten Marshmallows obendrauf», sagte Kat und musste daran denken, wie Oliver

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