Der Sommer der Frauen
Pension. Ich weiß doch, dass Thanksgiving dein Lieblingsfeiertag ist, Lol.»
Und außerdem schon in zwei Monaten.
Kat zog sich der Magen zusammen. Oliver meinte es nett und dachte praktisch, er wollte sicherstellen, dass Lolly noch dabei war, wenn ihre Tochter vor den Traualtar trat. In den letzten Tagen hatte er ihr ständig aufgekratzte SMS geschrieben, à la
Flitterwochen in Paris! Wir naschen uns durch alle Patisserien der Stadt, auch wenn deine Künste niemand toppt!
Hatte er vergessen, dass sie sich nicht sicher war? Dass sie seinen Antrag vielleicht nur in einem schwachen Augenblick angenommen hatte, als sie wegen der Diagnose ihrer Mutter völlig durcheinander war?
Andererseits wusste er, dass es ihr Traum war, nach Paris zu reisen. Sich durch sämtliche Patisserien der Stadt zu naschen. Sich von den großen Konditoren etwas abzuschauen. Nutzte er die Gunst der Stunde aus? Oder hoffte er einfach, ihren Dickschädel brechen zu können?
Das wäre einer der Augenblicke, für den sie sich in Judgement City verantworten müsste. Das stand fest.
Paris ist perfekt
, hatte sie zurückgeschrieben. Und das war es auch. Nur alles andere eben nicht. Zum Beispiel der Teil mit den Flitterwochen.
Die Freundin von Olivers Bruder erklärte ihr gerade bis ins kleinste Detail, wie ihr eigenes Brautkleid aussehen müsste, eine ärmellose Version des Kleids von Kate Middleton, als Kats Handy klingelte. Es war Matteo. In der Annahme, sein Anruf könnte etwas mit Lollys jüngsten Testergebnissen zu tun haben, entschuldigte Kat sich, ging ins Haus und sperrte sich oben im Bad ein.
«Matteo! Bitte sag mir, dass alles in Ordnung ist.»
«Ja», antwortete er eilig. «Bitte entschuldige, Kat, ich wollte dich nicht erschrecken. Ihre Ergebnisse sind noch gar nicht da, die kommen erst Montagvormittag, und wir erwarten momentan auch keine Veränderungen. Bitte versuch, dir keine Sorgen zu machen. Ich rufe nur an, um zu fragen, wie es Lolly geht. Als ich sie zuletzt gesehen habe, fühlte sie sich gar nicht gut. Wie ist es jetzt?»
Kat ließ erleichtert die Schultern sinken. «Das ist sehr nett von dir, Matteo. Heute geht es ihr schon wieder besser.»
Während er ihr sagte, was bei der zweiten Runde Chemotherapie zu erwarten sei, was auf Lollys Körper zukäme und wie sie eventuell darauf reagieren würde, merkte Kat, wie sehr sie sich wünschte, ihm nahe zu sein, sein Wissen und seine weisen Worte zu spüren und in sich einsickern zu lassen.
«Ich muss wieder weiter, Kat. Aber falls du Fragen hast, falls du irgendwie Hilfe brauchst, dann melde dich einfach bei mir. Ach, fast hätte ich es vergessen. Ich habe meinem Vater von dir erzählt, und er würde sich freuen, dir zeigen zu dürfen, wie er seine berühmten Cannoli macht, wenn du ihm dafür beibringst, wie man deine berühmten Muffins backt. Muffins sind eigentlich nicht so sein Ding, aber er würde es gerne lernen. Er hat im Harbor Lights Café mal einen deiner Muffins probiert und ist aus dem Schwärmen gar nicht mehr rausgekommen.»
Kat spürte ein freudiges Kribbeln im ganzen Körper. «Es wäre mir eine große Ehre, dem unvergleichlichen Alonzo Viola zu zeigen, wie ich Muffins backe. Und eine Cannoli-Stunde – schrecklich gern! Das wäre dann fast so, als würde ich in Italien bei einem Meister in die Lehre gehen.»
«Ist das ein Traum von dir, nach Italien zu gehen?»
«Italien. Frankreich. Spanien. England. Russland. Schweden. Ich habe mal davon geträumt, durch die ganze Welt zu reisen und das Backwerk eines jeden Landes zu lernen. Aber ich konnte hier nie weg, weil ich gebraucht wurde, und dann habe ich es irgendwann aufgegeben.»
«Ein paar Stunden in der Backstube meines Vaters, und du hast das Gefühl, du wärst in Italien gewesen.»
Sie verabredeten sich für die kommende Woche, und Kat merkte, dass sie langsam das Bad freimachen sollte, falls jemand hineinwollte. «Und du rufst Montag an, falls die Ergebnisse was Neues bringen?», fragte sie ihn und machte die Tür auf. Davor stand Isabel, ein Glas Sekt in der Hand. «Okay. Danke noch mal.»
«War das Dr. Viola?», fragte Isabel, als Kat das Handy in der Tasche verschwinden ließ.
Dr. Viola. Für sie war er längst Matteo. «Er wollte wissen, wie es meiner Mutter geht.»
«Das ist aber sehr nett von ihm.»
«Sein Vater will mir zeigen, wie man Cannoli macht», erzählte Kat und strahlte Isabel an. «Stell dir vor, sein Vater ist Alonzo, aus der Italienischen Bäckerei. Das war mir vorher gar nicht
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