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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Schwierigkeiten zu haben. Jetzt sah es Paccoli genau: Der zweite Verletzte – und nur verletzt konnten die beiden sein, denn bei Toten hätte es keinen Sinn mehr gemacht, sie ins Siechenhaus zu schaffen – war Vester. Der jetzt, auf der Schwelle, offenbar wieder zu Bewusstsein gekommen war. Er rutschte von Severins Rücken, suchte an dessen Hand torkelnd Stand und ließ, das Maul offen, seinen benommenen Blick über den Platz schweifen. Am Richterhaus blieb sein Blick haften. Er richtete sich auf, machte einige tapsende Schritte, hob seine geballte Faust und krächzte röhrend über den Platz: »Paccoli-Sau! ... Richter-Hund!«Dann schlug er der Länge nach auf die Erde. Severin war mit einem Satz bei ihm, hob ihn auf und schleifte ihn in das Krankenzimmer.
    »Bedarf es noch eines Beispiels dafür, was wir zuvor zum Thema ›Dankbarkeit‹ feststellten?«, fragte Paccoli.
    »Dafür nicht«, sagte der Richter. »Aber vielleicht bedarf es bald eines anderen Exempels. Nämlich eines, das diesen Individuen ein für alle Mal verdeutlicht, dass ein derart respektloses Verhalten in meinem Rayon keinesfalls hingenommen wird.«
    Paccoli verneigte sich leicht.
    »Ich danke Ihnen.«

4
    D er Postwirt Andrä Kolber hatte einen schiefen Mund voller faulgelber Stummeln, von denen ihm einer abhanden gekommen war, als er einmal – sturzbetrunken und mit dem Gesicht voraus – auf die steinerne Kellerstiege gekracht war. Er umklammerte die Schultern seiner Magd.
    »Ich mag dich, Babett«, beteuerte er. »So glaubs mir doch.«
    Babett hatte keine Ahnung, was diesmal der Grund dafür war, dass den Wirt wieder einmal der Hafer stach. Der Tag war windig gewesen – hatte Kolber einen Blick auf ihre Waden erhascht, als sie den Wirtschaftshof überquerte? Vielleicht hatte sie, als sie sich über den Waschzuber beugte, versehentlich einen Blick auf den Ansatz ihres Busens freigegeben. Er hatte sie schon den ganzen Tag mit einem stieren Blick verfolgt, schließlich den Hausknecht Gidi mit einem läppischen Auftrag auf die Weide geschickt und sich versichert, dass die alte Sali auch wirklich im Portal der Pfarrkirche verschwunden war. Dann rief er, ungewohnt und wohltuend aufgeräumt, seine Magd zu sich und orderte sie auf den Heuboden, wo er wieder einmal den ernsthaften Freier gab. Er liebe sie, schmachtete er, sie gefalle ihm ja so sakrisch, wirklich, das sage er nicht jeder, obwohl es viele gäbe, die auf ihn spekulieren würden, er hätte ja schließlich auch einiges zu bieten: den größten Gasthof des Dorfes, einen vollen Stall, Ansehen. Auch sei er noch lange kein Greis und das Witwerdasein leid, bald würde ihm auch noch die Tochter weggeheiratet werden, und wer solle dann der Wirtschaft vorstehen?Sein Sohn, der ihm immer mehr Sorgen mache, weil er nach dem Tod seiner Frau von Jahr zu Jahr frömmelnder geworden sei, und sich, die Menschen scheuend, meist im Stall verkrieche? Ihm die Wirtschaft übergeben zu müssen, lasse ihn vor Sorgen nicht mehr schlafen. Ja, er brauche jemanden wie sie.
    Babett hatte versucht, ihn zu beruhigen. Es ehre sie ja – doch, das wäre die Wahrheit – aber er müsse doch einsehen, dass das auf die Dauer nicht gutginge, eine Kleinhäuslerstochter und ein angesehener Bauer – und – Er fiel ihr heiser ins Wort: Ja! solle sie sagen, Ja!, beharrte er, und sich mit ihm ins Heu legen, jetzt und sofort. Er hielte es nicht mehr aus! Das könne sie ihm nicht antun, er wäre verrückt nach ihr, und es sei alles nur ihre Schuld. Wie sie vor ihm hertänzele, ihre Brust wippen lasse, ihn aufreize – das mache sie doch akkurat mit Absicht! Er wär doch kein Mensch nicht und kein Mann, wenn er da nicht zum Stier werden tät!
    Babett war immer weiter zurückgewichen. Bis er, den Blick wie hypnotisiert auf ihre Brust gerichtet, über sie herfiel. Babett war Mitte zwanzig, kräftig gebaut und gelenkig. Sie entwand sich ihm, rannte zur Luke. Doch der Wirt war schneller, er verstellte ihr den Weg zur Leiter und scheuchte sie in eine Ecke, aus der sie nicht mehr fliehen konnte. Ihr Kopftuch hatte er ihr bereits heruntergerissen; jetzt trieb er sein Knie zwischen ihre Schenkel, drehte den Fuß, hakte ihn um ihre Fersen und brachte sie mit einem Ruck zu Fall. Sie lag vor ihm. Er atmete schwer, ein widerwärtiger, fischiger Geruch ging von ihm aus, sein Gesicht brannte.
    Mit einem beinahe jugendlichen Schwung sprang er auf sie, und sein Körper, ein fast zwei Zentner schweres Fass, quetschte sie auf die Bohlen. Die

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