Der Sommer der Gaukler
wirst mir doch nicht... Was bist denn auf einmal so trübsinnig?!«
»...bevor ich mit Schimpf... und mit Schand ins Zuchthaus geworfen werd... da... nein... nein...«
Sie erschrak.
»Um aller Heiligen willen! Emanuel! Untersteh dich, so zu reden! Tu dich nicht versündigen!«
Schikaneders Schultern zuckten heftiger. Er schniefte leise. Mit bröckelnder Stimme fuhr er fort: »Eleonore... verzeihst du mir alles, was ich dir je angetan hab?«
»Aber was meinst denn damit?!«Drehte er jetzt durch? Wurde ihm alles zu viel? War er doch nicht so stark, wie sie immer dachte?
»Du weißt schon... ich war dir nicht immer ein... der gute Ehemann... den du verdient hast...«
»Aber wir sind doch quitt, Schani ! «, rief sie. »Was du mir angetan hast, hab ich dir doch jedesmal gleich zurückgegeben! Bei mir jedenfalls ist keine Rechnung offen!«
Er schien ihr nicht mehr zuzuhören. »...und ... und versprichst mir, dass du mir allweil ein ehrendes Angedenken halten wirst?... Und... und dass ich einen Grabstein krieg und nicht verscharrt werd in irgendeinem finsteren Winkel?... Einen aus...«
»So hör endlich auf!«
»...geschliffenem Hauzenberger Granit... der kostet zwar einen Haufen Geld, aber hält dafür auch länger, und...« – er wurde von einem Schluchzen geschüttelt – »...auf dem bloß steht: Hier ruht mein geliebter Gatte... der großartigste Schauspieler und Direkteur, der... Deutschland je mit seiner Kunst beglückte... nein, mehr... mehr muss gar nicht sein, sonst täten die Leut noch sagen, dass du übertreibst... und meinen Namen... Johann Emanuel... gelt, Emanuel nicht vergessen...«
Sie packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn.
»Emanuel! Horch zu! Ich hab eine Idee! Die ganze Zeit hab ich sie schon gehabt! Erinner dich! Wie wars seinerzeit in Nürnberg oben? Erinnerst dich nimmer? Wie oft bist zum Magistrat, bist rumgeschwänzelt, hast palavert, hast die Leut eingeseift! Und nichts ist gewesen mit der Spielerlaubnis! Bis ich selber hin bin und sie allesamt um den Finger gewickelt hab! «
Es schien Schikaneder unendliche Mühe zu bereiten, seine Lider ein wenig anzuheben.
»Du meinst... dass du auf Salzburg...?«
»Genau das mein ich! Und wirst sehen, übermorgen haben wir die Permission!«
Ein mattes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, erlosch aber sofort wieder.»Aber Eleonore... ich brauch dich doch. Wer soll denn die Bernauerin spielen, wenn nicht du?«
Sie zuckte die Schultern.
»Gibs halt der Bichlerin«, meinte sie. Eine Spur zu beiläufig, als dass Schikaneder nicht sofort gespürt hätte, dass es jetzt um alles ging.
»Der?«, rief er aufgebracht, als hätte diese grauenhafte Vorstellung seine Lebensgeister wieder geweckt. »Nie! Sie steht ja meter- ah, was sag ich! – meilenweit unter dir. Nein, Eleonore – nur du kannst sie spielen! Und außerdem –«
Sie winkte ab. »Ach was. Für die Dorfleut tuts es schon.« »Und außerdem kann ich dieses Opfer nicht von dir annehmen!« Er reckte das Kinn. »Nein! Ich verbiete dir –!«
Wie ein Fallbeil durchtrennte sie seinen Satz: » Wer verbietet
mir was?!«
Sofort sackte Schikaneder wieder in sich zusammen.
»Eh... vielleicht... vielleicht hast du Recht... Vielleicht ist es
doch meine Pflicht, von meinen persönlichen Gefühlen abzusehen...?«
»Das seh ich auch so.« Sie nickte befriedigt. »Also, keine Zeit verloren! Ich fahr, und zwar auf der Stell!«
Mit diesem Satz schwenkte sie herum und ging mit energischen Schritten zur Tür.
»Eleonore...?«, sagte er demütig.
»Was noch?«
»Ich kann dich also gar nicht mehr umstimmen?«
»Kennst mich doch.«
Er seufzte geschlagen.
»Tja, dann stimme ich schweren Herzens zu.«
»Jaja. – Noch was? Ich möcht gleich anschirren lassen.« Sie öffnete die Türe und trat auf den Gang.
»Ah – Eleonore!«, rief er ihr nach. Sie drehte sich ungeduldig um. »Wann wirst denn wieder zurück sein?«
»Übermorgen in der Früh.«
Er sah sie wie ein kranker Hund an.»So lang...«, klagte er.
Sie winkte ab und ging resolut zur Treppe. Er hörte, wie sie plötzlich stehen blieb. Sein Herz setzte aus. Sie kam wieder zurück und blieb im Türrahmen stehen. Der forschende Blick, mit dem sie ihn sekundenlang musterte, kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Dann lief sie nach unten.
Kurze Zeit später hatte die Köchin wieder einen Grund, sich über diese närrischen Komödi-Spieler aufzuregen. Ärgerlich blaffte sie Sepha an, die der Direkteur vor wenigen Minuten zu sich gerufen
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