Der Sommer der Gaukler
wie viele das schon vor ihr gehofft hatten... Er drehte ihr den Rücken zu, um im gleichen Augenblick wieder herumzuwirbeln.
»Verhaltet Ihr den Mund!«, schrie er.
»Waas?! Sie wagen – ?«
Wallerschenk deutete mit boshaftem Lächeln auf sein Textheft.
»Hier – ›Vicedom: Verhaltet Ihr den Mund!‹ – Und jetzt die
Bernauerin! – Oder bleiben wir vielleicht jetzt schon hängen?« »Pffh!« Sie warf den Kopf zurück und deklamierte: »Wohin?
Wohin? Gute Baiern! Eures Herzogs Albrechts Frau!«»Eine Hexe ists, die man verbrennen sollte! Eine Närrin!«, dröhnte der Vicedom.
»Albrecht!«, wimmerte die Bernauerin. Sie sank auf die Knie. »Gott! Barmherzigkeit!«
Wallerschenk packte sie am Arm.
»So stürb! Des Teufels Metze!«
»Man mordet mich! Eilt niemand mir zu Hilfen!«
Gidi sprang aus seinem Versteck, raste heran und holte noch im Lauf mit der Rechten aus. Bevor Wallerschenk irgendetwas begriff, wankte er schon, von Gidis schmetternder Ohrfeige betäubt, durch den Garten. Demoisell Bichler kreischte entsetzt auf.
»Zu Hilfe!«
Wallerschenk rappelte sich auf und schob seine Spielperücke zurecht, die ihm über die Augen gerutscht war.
»Ist er verrückt geworden?! Kerl!!«, krächzte er. »Herr Wirt!! Hilfe!!«
Gidi griff nach der Hand der Bichler und zog sie in Richtung des Gasthofs.
»Laufens weg, Frau! Ich kümmer mich schon um ihn! Der wird Ihnen nichts mehr tun!«
Sie sah ihn fassungslos an.
»Aber... aber...«, stammelte sie. Sie riss sich frei. »Hilfe!!«
Der Wirt raste heran, stampfend wie ein wildgewordener Stier. Er stürzte sich auf Gidi und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
»Du Hundsfott!«, brüllte er. »Meine Gäst anpacken! Viech, narrisches! !«
»Er wollt sie umbringen!«, schrie Gidi zurück.
»Bist du jetzt komplett narrisch geworden? – Es ist eine Komödi, du Aff!«
Gidi riss den Mund auf.
»Ja! Du Rindviech, du saublödes!« Der Wirt holte wieder aus. Gidi wich dem Schlag aus.
»Weil ichs net wüsst!«, rief er. »Aber – aber – nimmer anschauenmag ichs mir! Nimmer anschauen, wie umgesprungen wird mit unsereinem! Nimmer hineinschauen mag ich wie in einen Spiegel, der einen ausbleckt und einem sagt: So ists und bleibts! Bist unten, bleibst unten! Und wanns den Oberen gefällt, wirst zertreten!«
Der Wirt trat einen Schritt zurück.
»Genau das wird dir blühen«, röhrte er. »Du Rebeller, du vermaledeiter!«
Er holte wieder aus. Gidi drehte den Kopf nicht mehr zur Seite. Er fing den heranfliegenden Arm des Wirts und hielt ihn in der Luft fest. Der Wirt wand sich ächzend im eisernen Griff seines Knechtes. Er trat nach ihm. Gidi schlug mit der anderen Hand zu.
Die Gesichtszüge des Wirts erstarrten. »Das büßt du...«, würgte er heraus. Doch da war Gidi bereits verschwunden.
29
H err Direkteur! Auf ein Wort!«
Schikaneder drehte sich alarmiert um. Millner und Bartholomäus, die sich gerade mühten, eine Standarte auf einem Kahn zu befestigen, sahen fragend auf den Richter, der, von Kolber gefolgt, mit energischen Schritten und flatternden Rockschößen über die stoppelige Wiese heranstiefelte.
Der Prinzipal begrüßte sie mit einem entwaffnenden Lächeln.
»Euer Gnaden und der Herr Wirt sind auf Promenad? Herrliches Wetter, nicht wahr? Wie geschaffen für die Aufführ –« »Welches Stück hat Er uns da untergeschoben?«, bellte Ratold
los.
»Untergeschoben?« Schikaneder hob erstaunt die Brauen. »Mit Verlaub, Euer Gnaden! Sie selbst haben –«
Der Richter wedelte mit seiner Hand.
»Jajaja! Aber ich kann mich nicht mehr so recht an den Inhalt erinnern. Worum geht es in diesem Stück?!«
»Nun... wie der Titel verrät, um das Schicksal der armen Agnes Bernauerin.«
»Und? Wie ist dieses Schicksal? Er sprach von einem vaterländischen Stück!«
Kolber wackelte mit dem Kopf.
»Wie kann so was vaterländisch sein, wenn die Leut schon aufmüpfig werden, wenns bloß eine Prob sehen? Der Gidi ist gutmütiger gewesen wie der gutmütigste Ochs!« Der Richter brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.»Wie ist dieses Schicksal!«, drängte er. »Antworten Sie! « Schikaneder lächelte ungläubig.
»Nun, wie aus der Historie allgemein bekannt –«
»Die Historie ist völlig unwichtig! Entscheidend ist, was Ihresgleichen daraus macht! Der Autor Graf Toerring mag ein respektabler Mann sein; das, was er fabriziert, scheint mir dagegen eher suspektabel. Also?«
Der Prinzipal holte Luft.
»Wie bekannt, wird das holde Wesen von
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