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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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brannten.
    Er blieb stehen. Mochte der Wirt auch toben – er würde die Last jetzt aufteilen, einen Teil hier, hinter diesem Gebüsch am Ende des Gartens, lagern und den Weg zweimal gehen. Vorsichtig ging er in die Knie, löste die Kordel und ließ die Stangen vom Rücken gleiten. Er stand auf, streckte und dehnte sich erlöst. Langsam klang der Schmerz in seinem Rücken ab.
    »...strömet, strömet fort, stille Wogen...«
    Gidi hatte sich gerade wieder bücken wollen, als er die Stimme hörte. Er duckte sich und linste durch das Blattwerk in den Garten. Demoisell Bichler, feierlich Fuß vor Fuß setzend, bereitete sich auf ihre Rolle vor. Sie kam näher.
    »...strömet nach dort, wo mein Geliebter ist. – Ihr zeigt mir sein Bild? Wälzt es fort mit euch, und wenn Albrecht mit Euch am Ufer kämpfet, zeigt es ihm wieder, und die Träne, die im Auge mir zittert, von seiner Agnes Sehnsucht geweint...«
    Gidi verstand jedes Wort. Er atmete flach. Ein merkwürdiges Gefühl hatte von ihm Besitz ergriffen.
    »...Liebe! Liebe! Gib mir meine Ruhe wieder, wie, als ich Albrecht noch nie gesehen hatte. Als in sorgloser Unschuld, stille meine Tage einer nach dem anderen hinflossen, wie diese kleinen Wogen. Gib sie mir wieder, oder meines Albrecht Umarmungen. –Was klag ich? Warum wein ich? Was soll diese ängstliche Beklemmung? Der leise Frost, der über die Glieder hinab- schauert? Das Beben, als wär ich eine Verbrecherin? – Verbrecherin? Gott! Du weißt es, was ich litt...«
    Gidi schmeckte eine salzige Flüssigkeit auf seinen Lippen. Dann bemerkte er, dass auch seine Wangen nass waren. Tränen sickerten durch seinen Schnauzbart in den Mund, rieselten über seinen Hals auf seine Brust. Sein Kinn zitterte.
    »...Gott! Du schufst mich ja! Du webtest in mein Inneres das, was mich in Albrechts Arme warf! – Ich bin auch ein Mensch! Du bists auch, Albrecht! Sollt ichs jemals büßen, dich geliebt zu haben? – Stille, mein ängstliches Herz! Poche nicht so. Er liebt mich ja, er ist mein Gemahl. Er kommt ja wieder – kommt wieder. – Noch nicht stille, mein Herz? Immer ängstlicher? Bänger? Ach! Liebe! Ist das dein Lohn?«
    Gidi drückte seine Faust auf seinen Mund und schluchzte gepresst. Noch nie hatte er einen Menschen so wunderbar, so innig sprechen hören, über Dinge, von denen er gar nicht wusste, dass es dafür überhaupt Worte gab.
    Demoisell Bichler bewegte sich wieder auf die Mitte des Gartens zu. Sie verschwand hinter einem Baumstamm. Gidi wollte sich gerade aufrichten, als er wieder eine Stimme hörte. Diesmal war es ein Mann. Gidi erkannte ihn – es war einer der Komödi-Leute, ein hochnäsiger und meist unfreundlicher Griesgram. Er schien wütend zu sein. War er es, dem die Frau ihren Kummer verdankte? Gidi duckte sich wieder hinter das Gebüsch.
    Wallerschenk stiefelte aufgebracht heran.
    »Gehts schon an!«, schimpfte er. »Kaum hat sie eine Hauptrolle, da wird aus so einer zweitklassigen Mamsell eine Grand-Dam, die meint sich alles rausnehmen zu können! – Demoisell Bichlerin! ! «
    Sie wand sich um den Baumstamm.
    »Hörens, Herr Wallerschenk. Sie sollten Ihre Stimm schonen. Sie ist kratzig genug.«»Um zwei Uhr steht bei mir! Zwei Uhr! Vierter und Sechster Auftritt! – So arbeitet man nicht am Theater!«
    Sie kam mit provozierender Gelassenheit näher.
    »Blähens Ihnen nicht auf, Wallerschenk. Wie viel Prob brauchens denn überhaupt noch? Bei mir sitzts schon längst.«
    Gidi konnte nicht genau hören, was die beiden sprachen. Er sah nur, dass sich die Frau selbstbewusst zur Wehr zu setzen schien. Gut, dachte er. Lass dir nichts gefallen.
    »Ich bin ebenfalls schon sehr weit vorgedrungen, Demoisell Bichlerin.« Wallerschenk grinste maliziös. »Ich bin übrigens äußerst dankbar, dass Sie mir helfen, meinen Part viel besser zu verstehen.«
    »Oh, charmant!«, gab sie spöttisch zurück. »Ich bin Kollegen, die für so was ein bisserl länger brauchen, immer gerne behilflich. Was habens denn durch mich besser verstanden, Herr Wallerschenk?«
    »Na: warum der Vicedom die Bernauerin umbringen möcht!« Sie schnappte nach Luft.
    »Na wartens, Wallerschenk! Nach der Aufführung wird ein gewisser angeblicher Charakterdarsteller endgültig den Beweis auf der Hand haben, dass ihm der Hanswurst doch besser ansteht! Bald werd nämlich ich mitzureden haben, wer in unserer Compagnie was spielen darf! Und wessen Kontrakt verlängert wird!«
    Wallerschenk warf ihr einen mitleidigen Blick zu. Wenn sie wüsste,

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