Der Sommer der Gaukler
unmaßgebliche Meinung hören möchten, Herr Richter: Es wäre nicht falsch, die Genehmigung zu erteilen.«
Ratold sah den Unternehmer verblüfft an.
Paccoli lachte herablassend. »Warum wird er spielen wollen? Warum spielen sie überhaupt, all diese Komödianten? Ich sage es Ihnen: Den Männern gehts um die Weiber, den Weibern um die Männer. Und wenns das nicht mehr ist, gehts ums Geld. Gut möglich ist auch, dass er vor Langeweile umkommt, oder seine Leute ein wenig auf Trab halten und nebenbei ein paar Gulden einnehmen will.« Er schüttelte bestimmt den Kopf. »Keine Angst, Herr Richter. Künstler wie Monsieur Schikaneder sind keine Rebellen. Sie werden nicht die Hand beißen, die sie füttert.«
»Dennoch erfühl ich bei diesem Komödiantenpack immer einen Rest untergründiger Resistenz und Aufsässigkeit«, wandte Ratold ein. »Kennen Sie das Stück eigentlich?«
»Nicht en detail. Soweit ich mich erinnere, ist es eine schmalzige Histoir’ aus dem Mittelalter. Armes Mädchen aus dem Volke liebt Herzog und wird dafür in die Donau gestoßen. Schmachtende Jungfrauen, klirrende Schwerter – es wird den Leuten gefallen.«
Ratold ging nachdenklich auf und ab.
»Aber, Monsieur Paccoli – es müsste Ihnen doch ebenso Unbehagen bereiten, dass die Leute es womöglich gar als eine Art Belohnung begreifen könnten. Dazu gibt es jedoch gerade jetzt absolut keinen Anlass, im Gegenteil. Finden Sie nicht auch?«
»Ich bin völlig Ihrer Meinung, Herr Richter. Andererseits – eine Theateraufführung würde die Leute ein wenig ablenken. Wer sich amüsiert, denkt nicht an den Alltag und –«
»Ja eben!«, warf der Richter ein, von dieser Vorstellung erbost.
»Und damit auch nicht daran, was ihm an diesem Alltag missfällt! Herr Richter! Die Leute hier und überall begehren auf!Seltsame Ideen sind im Umlauf. Gefährliche. Man schwatzt von Parlamenten, von Republik –«
»Ich bitte Sie sehr, Monsieur Paccoli! Aber doch nicht hier!«
»Wer kann es sagen? Die Bergleute meiner Gruben kommen aus Tirol, aus dem Venetischen, Savoyardischen, aus Frankreich – und mit ihnen wandern die Ideen. Und die Bergleute und die Hiesigen sitzen wiederum im Wirtshaus zusammen, treffen sich bei der Waldarbeit... Weiß man, was da diskutiert wird?«
»Sie – Sie denken an diesen Vester, nicht wahr?«
Paccoli nickte grimmig.
»Sie erraten meine Gedanken. Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass ich ihn im Verdacht habe, ein gefährlicher Aufwiegler zu sein.« Er lachte hämisch. »Aber bald einer ohne Auskommen, wenn ich ihm die Pacht entziehe. Die Not wird ihm die Flausen austreiben. Und spätestens, wenn er im Zuchthaus schmort, wird er nachdenklich werden.«
Ratold wiegte besorgt den Kopf.
»Das wird Unruhe geben«, sagte er. »Deren Ziel ich und Sie sein könnten, Monsieur. Die Sache mit dem Grubenholz ist schließlich auch noch nicht –«
Paccoli trat nahe an ihn heran und sagte eindringlich: »Eben! – Herr Richter! Das ist es doch, wovon ich die ganze Zeit spreche! – Lieber Unruhe auf der Spektakelbühne als in der Wirklichkeit!«
Ratold sah ihn zweifelnd an. Paccoli zwinkerte verschwörerisch.
Allmählich hellte sich das Gesicht des Richters auf.
26
D emoisell Bichler sah hinreißend aus, wie sie mit wiegenden Hüften, mit der Hand ihren englischen Hut festhaltend, auf ihn zukam.
»Manü... hier bist. Ich such dich die ganze Zeit.«
»Jaja.« Schikaneder würdigte sie keines Blickes. Geschäftig schritt er die Entfernung von der Bootslände zur zweiten Stufe der Uferböschung ab.
»Das Wetter heut wieder ... was? Ich fühl mich wie auf einer Sommerfrischen. Diese Luft –«
»Ist lind, ja.«
»Na? Heut bist aber brummig.«
»Ich bin beschäftigt. Das ist doch wohl nicht zu übersehen.« Sie zog eine Schnute.
»Sag einmal: Hab ich dir was getan? Was bist denn auf einmal so ekelhaft?
Er deutete in den Himmel.
»Weil die Sonne scheint, Demoisell Bichler.«
Sie verstand.
»Aber es ist doch grad niemand in der Näh. Und die Madam hat sich grad vor ein paar Minuten hingelegt.«
»Mit Migrän vielleicht?«, erkundigte er sich.
»Woher weißt’ das schon wieder?«
Er nickte sarkastisch.
»Weil ich das Stück, das da grad gegeben wird, sehr gut kenn, Demoisell. Sein Titel lautet: ›Die in Sicherheit gewiegte Ehebrecherin‹.« Er schob sie ungeduldig zur Seite und stieg einige Meter die Anhöhe empor. »Außerdem: Ich bin jetzt wirklich beschäftigt.«
Er kniff die Augen zusammen und fixierte eine Stelle
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