Der Sommer der lachenden Kühe
das nicht, musste man pro Hektar tausend Mark Strafe zahlen. Die Maschinen waren immer teurer ge worden, aber für Getreide und Milch bekam man nicht Geld, sondern Geldstrafen. Der Dorfladen war im vori gen Sommer geschlossen worden, die Schule sogar schon früher.
Heikki Mäkitalo peitschte seinen Körper so wütend mit Birkenruten, dass sich fast die Haut ablöste.
Keine einzige der politischen Parteien verteidigte die Interessen der Neusiedler. Die Kommunisten sammelten bloß Stimmen, die Sozis hielten den Bauern für ihren schlimmsten Feind, die Konservativen standen aufseiten der Waldkonzerne, die Zentrumsleute hatten ihre Aktivi täten vom Land in die Stadt verlegt, die Grünen wachten mit Argusaugen über das kleinste Stückchen Natur, und die Vennamo-Partei hatte jetzt gerade erst für die Schließung der Post des Dorfes gesorgt. In den Leitarti keln der Zeitungen erntete man für seine Plackerei den Vorwurf, man schädige die Volkswirtschaft, und in den Leserbriefen wurden die Landwirte beschimpft, sie seien angeblich für die viel zu hohen Lebensmittelpreise ver antwortlich. Und zu guter Letzt, als Finnlands Beitritt in die EU aktuell geworden war, hatte es geheißen, das einzige Hindernis seien die Bauern. Gäbe es keine Landwirte, wäre man schon lang Teil der europäischen Herrlichkeit. Aber wegen der Bauern würde es teuer werden, und womöglich würden die Finnen überhaupt nicht aufgenommen werden.
»Es sind eine Menge Sünden, die unsereins zu ver antworten hat«, äußerte Heikki Mäkitalo verbittert. »Meine Gesundheit habe ich mir in diesen Sümpfen völlig ruiniert. Erst musste man für fünf Jahre in den Krieg, und dann hat man all die Jahrzehnte hier ge schuftet. Und das ist jetzt der Lohn dafür.«
Rytkönen hatte Mitleid mit seinem alten Freund. Er hatte ein schweres Los, keine Frage.
Nach dem Saunieren gingen die beiden nackt über den Hof ins Haus und setzten sich an den Tisch, um ein wenig auszuruhen. Rytkönen bemerkte, dass von der Wand ein großer ausgestopfter Elchkopf heruntersah. Mäkitalo erzählte, dass er das Tier vor fünfzehn Jahren im Moor erlegt habe. Es sei so groß gewesen, dass er den Kopf zur Erinnerung habe ausstopfen lassen.
»Anna hasst ihn, sie behauptet, er spukt. Piepst an geblich so komisch. Ich habe aber noch nichts gehört. Wie sollte denn ein Elch piepsen, zumal ein toter?«, fragte er.
»Dein Gehör ist so schlecht, dass du es nicht mal hö ren würdest, wenn er anfangen würde zu jaulen«, wies ihn seine Frau zurecht.
Rytkönen hatte die Idee, Doktor Sorjonen könnte das Gehör und auch den allgemeinen Gesundheitszustand des alten Bauern untersuchen. Er holte sogleich die Instrumente aus dem Auto. Sorjonen sagte, er sei gar kein richtiger Arzt, nur ein ehemaliger Taxifahrer, aber die Ausflüchte nutzten ihm nichts. Er war gezwungen, Mäkitalos Lunge abzuhorchen. Er diagnostizierte, dass mit ihr irgendetwas nicht in Ordnung war. Auch der Blutdruck war noch höher als der des Arztes Remi Hyvärinen. Außerdem war das Gehör wirklich sehr schlecht.
»Die anderen Doktoren haben auf Lungenerweiterung getippt«, bestätigte der Patient, während er sich das Hemd anzog.
Die Bäuerin tischte zum Abendessen gesalzenen Brachsen, ofenfrisches Roggenbrot, Butter und Sauer milch auf. Dann machte sie für die Gäste Schlafstellen in der Scheune zurecht und begab sich nun ihrerseits in die Sauna. Die beiden alten Freunde blieben in der Stube zurück, um sich noch zu unterhalten. Seppo Sorjonen ging in der Kühle des Abends über den Hof zur Scheune. Er nahm sich vor, die Bäuerin um zwei Rog genbrote zu bitten und diese per Post an Irmeli nach Helsinki zu schicken. Sie würde sich bestimmt freuen.
Die grau gestreifte Hauskatze kam Sorjonen aus dem Kuhstall entgegengelaufen und rieb sich an seinem Bein. Sorjonen streichelte sie. Sie schloss die Augen und miaute ein paarmal. Dann kehrte sie wieder in den Kuhstall zurück, die Katze des alten Panzersoldaten.
13
Heikki Mäkitalo spähte durchs Fenster auf den Hof. In der Sauna brannte Licht, dort saunierte seine Frau. Sorjonen stand am Brunnen und streichelte die Katze, dann ging er in die Scheune, um sich schlafen zu legen. Mäkitalo kehrte wieder zu Rytkönen an den Tisch zurück und sagte, er wolle ihm einen unglaublichen Schlachtplan verraten, falls sich der alte Freund dafür interessiere.
»Aber du musst schwören, dass du niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen erzählst.«
»Ich kann
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