Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Ende. Und außerdem verfügte er jetzt über das, was er wollte. Was er brauchte.
Byrne hatte sich mühsam erhoben und war zu seinem Schlitten gehumpelt; er hatte Pferd und Wagen aus der Schmiede geholt und war in sein Haus zurückgekehrt. Zurück in seine Ohnmacht.
»Ich habe noch nicht einmal die Tür zu Dr. Lawsons Haus hinter mir geschlossen«, beendete Byrne jetzt seinen Bericht. Er war sich bewusst, dass Jane sich weder rührte noch etwas sagte. Sie saß nur da und sah ihn an. »Was ich mir genommen habe … es war vermutlich für die Behandlung der gesamten Grafschaft während eines vollen Jahres gedacht.« Seine Stimme klang rauer, als es ihm recht war. »Für mich war es eine Sache von Monaten.«
»Aber nicht alles«, hielt Jane sanft dagegen, als ihr Blick auf die halb geleerte Flasche fiel.
»Nein, nicht alles«, schloss Byrne. »Ich möchte, dass du weißt …« Er schluckte und fing von vorn an. »Du sollst wissen, dass ich in den Monaten, seit ich aus London zurückgekehrt bin, keinen Tropfen mehr davon genommen habe. Nicht einen einzigen.«
Sie nickte stumm. Dann fiel ihr Blick wieder auf das Kästchen. »Was ist danach geschehen?«
Er zuckte die Schultern. »Ich kann mich nicht mehr erinnern, die Straße hinaufgegangen zu sein … oder wie ich nach Hause gekommen bin … ich kann mich auch nicht daran erinnern, das Fenster von Mrs Hill oder Mr Davies’ Eingangstür zerbrochen zu haben. Aber so muss es gewesen sein, denn am nächsten Morgen waren sie zerbrochen … und das Dorf hat einen Trupp Männer aufgestellt, um den Übeltäter ausfindig zu machen. Damals habe ich von all dem nichts gewusst.« Sein Blick glitt zu den Flaschen in der Schatulle. Nein, an all das konnte er sich nicht erinnern. Er hatte sich in einem Zustand tiefen Vergessens befunden.
»Und wie bist du den Fragen und Nachforschungen entgangen?«, fragte sie. Byrne musste lachen.
»Pures Glück«, erwiderte er, als sein Lachen verstummte. »In der darauffolgenden Nacht hat der Straßenräuber zum ersten Mal zugeschlagen. Die Einbrüche auf der Hauptstraße wurden entweder vergessen oder sie wurden mit den Überfällen der nächsten Wochen in einen Topf geworfen. Als man anfing, mich zu verdächtigen, hat niemand mehr danach gefragt, wo ich in der Nacht war, in der die Einbrüche in der Hauptstraße begangen wurden.«
Jane schaute auf die verschlissene Schatulle und die eine Phiole, die noch halb voll war. Byrne konnte nicht anders, als ebenfalls hinzusehen – auf diese Quelle seiner Scham, die er unter einem Dielenbrett versteckt hatte.
»Das Dorf tut recht daran, mich zu verdächtigen«, sagte er ruhig. »Sie haben recht, mich zu hassen. Ich habe ihnen Schaden zugefügt.«
»Aber nicht in dem Umfang, den sie dir vorwerfen!«, rief Jane.
»Ich habe viel Unrecht getan«, knurrte Byrne. Er stieß sich von der Wand ab und kam zu ihr. »Jedenfalls genug, um ihren Hass zu verdienen. Also muss ich ihnen ihren Hass auch lassen!« Er trat noch einen Schritt nach vorn, ging an ihr vorbei zu dem kleinen Stuhl, neben dem das kleine Fenster für die einzige Frischluftzufuhr im Zimmer sorgte; nachdem er seine Geschichte erzählt hatte, brauchte er frische Luft. »Und da du jetzt Bescheid weißt, habe ich sicherlich genug getan, um mir dein Mitleid zu sichern. Es ist wohl das Beste, wenn du mich allein lässt.«
Er hatte ihr zwar den Rücken zugekehrt, war aber überzeugt zu hören, dass sie leise zur Treppe ging … aber als sie sprach, ertönte ihre Stimme direkt hinter ihm.
»Du meinst, dass ich Mitleid für dich empfinde?«, fragte sie. Ihre Worte trieften vor Unglauben. Er drehte sich um und sah ein Feuer in ihren Augen glühen, eine Glut, die sich über ihre Wangen ausbreitete. »Du glaubst wirklich, dass ich hierherspaziere, dass ich das Dorffest mit dir besuche, dass ich mir die Mühe mache, die Sache mit dem Straßenräuber aufzuklären … dass ich all diese Zeit mit dir verbringe … aus Mitleid ?«
»Jane, du musst mich doch bemitleiden, denn sonst würde ich es nicht verstehen«, hielt er dagegen. »Ich könnte sonst nicht verstehen, warum du mich gegenüber deinem Bruder und Sir Wilton verteidigst, aber die ganze Woche über nicht den Mut aufgebracht hast, mich zu besuchen. Habe ich einen so grotesken Anblick geboten, als ich krank in deiner Bibliothek gelegen habe?«
»Nein!«, rief sie.
»Aber warum sonst bist du dann noch hier? Ich habe dir doch die Erlaubnis erteilt, dein kleines Projekt meiner Rehabilitierung
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