Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
ginge in Ordnung. Übrigens würde ich an Ihrer Stelle Tischtücher aus ägyptischer Baumwolle wählen. Die zeigen wirklich etwas her.«
Es war wirklich merkwürdig, aber als sie im Salon saßen – Nevill hatte ein Bein lässig über die Lehne seines Stuhls gelegt, und Charles knabberte geräuschvoll am Teegebäck –, war Jane von einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit erfüllt.
Ja, so waren sie nun einmal, Charles und Nevill. Und jetzt hockten sie hier, offensichtlich nüchtern und mit etwas beschäftigt und legten ihr bestes Benehmen an den Tag.
Eigentlich lustig, aber noch nie hatte sie die Freunde ihres Bruders als … nützlich betrachtet.
»Und als Nächstes«, sagte Charles zu einer hingerissenen Victoria, »brauchen wir ein Motto.«
Charles und Nevill boten einen unvergesslichen Anblick, wenn sie sich für etwas begeisterten.
Es dauerte nicht lange, und die Liste war vervollständigt. Die Haushälterin wurde angewiesen, sämtliches Silber und Kristall zu zählen; der Text für die Einladung wurde verfasst, und die Lakaien sollten die Zierleisten im Ballsaal reparieren. Für das gesamte Haus wurde ein Putzplan erstellt, die Köchin erhielt den Befehl, ein Probemenü zu ersinnen, das alle Angehörigen des Planungskomitees am nächsten Tag verkosten sollten.
Falls Jane befürchtet hatte, dass Charles und Nevill in ihre Liederlichkeit zurückfielen und irgendwelche Dummheiten mit Victoria ausheckten, dann reichte ein rascher Hinweis in Nevills Ohr, dass Victoria vergleichsweise arm war und dass es ihrem Vater nicht schwerfallen dürfte, sie in eine australische Arbeitskolonie deportieren zu lassen; schon waren sie die höflichsten Gentlemen weit und breit.
Die vier dehnten ihre Planungen und Debatten über die Mittagszeit aus. Als es schließlich Zeit wurde, dass Janes Vater sich zu seinem Mittagsschlaf hinlegte, war Jane endlich in der Lage, Victoria für diesen Tag zu verabschieden.
Charles und Nevill sollten nach Reston gehen, sich den Vorrat an Karten in Mr Davies’ Druckerei anschauen und schnellstens Einladungen drucken lassen.
»Jason ist wirklich ein Gauner, einfach ohne uns auszureiten!«, brummte Charles, schloss die Bibliothekstür hinter sich und setzte seinen Hut auf. »Jane, wollen Sie uns wirklich nicht begleiten?« Er errötete und stammelte: »Ähm, ich meine natürlich, Lady Jane.«
»Jane ist schon in Ordnung.« Sie lächelte ihn an. »Und ihr zwei reitet sowieso schneller als ich.«
Nachdem die beiden das Haus verlassen hatten, blieb Jane einen Moment lang im Foyer stehen. Jason war beschäftigt, ihr Vater ruhte sich aus, die Gäste waren unterwegs.
Wie ihr nur zu bekannt war, würde ein Zustand wie dieser nicht lange währen. Und für den Ball gab es noch zahllose Dinge zu erledigen (Nevill hatte ihr die Liste dagelassen). Sie würde also gut daran tun, diese kurze Atempause eifrig zu nutzen.
Und genau das hatte sie auch vor.
»Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen«, sagte Jane, nachdem sie noch einen Schluck Wein aus dem Zinnbecher getrunken hatte und an ihrem Keks knabberte.
»Weshalb?«, fragte Byrne, während er sich einen weiteren Löffel der unglaublich köstlichen Brombeermarmelade aufs Brot kleckste.
»Weil ich Victoria erzählt habe, dass wir in der Angelegenheit des Straßenräubers ermitteln«, erwiderte Jane, »und nicht, dass wir picknicken gehen. Aber stattdessen liegen wir hier faul herum. So viel Bequemlichkeit tut uns nicht gut.«
»Mir fallen noch ganz andere Möglichkeiten ein, wie wir es uns bequem machen könnten.« Er wackelte mit den Brauen und kassierte dafür einen freundschaftlichen Klaps von Jane. »Ich wollte doch nur sagen, dass wir auch woanders sitzen könnten als auf einem Haufen Felsen.«
Sie waren wieder den Fjell hinaufgestiegen, um bei ihrem Picknick in der späten Nachmittagssonne die spektakuläre Aussicht zu genießen. Obwohl es immer noch ungewöhnlich warm war, konnte Byrne den Biss des Herbstes bereits spüren, den Wetterwechsel, der bevorstand.
Der Zeitpunkt, zu dem Jane abreisen würde.
Was aber nur bedeuten würde, wie er sich sagte, dass sein Zeitplan sich änderte. Er wollte Jane, und er würde sie bekommen. Aber sie auch zu behalten, ein ganzes Leben lang … das war eine völlig andere Geschichte. Eine, die er und sie vermutlich irgendwann bedauern würden. Also war es bestimmt besser, wenn sie ihre Freundschaft jetzt genossen, an ihr wuchsen und stärker wurden, als …
… als sich der Hoffnungslosigkeit
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