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Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Titel: Der Sommer der Lady Jane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Noble
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dass er auch nur daran hätte denken können.« Byrne schaute sie an und schwieg, sodass sie weitersprach. »Es ist auch eine Sitte, seine Nachbarn zu begrüßen. Ich bin zwar gestern erst hier eingetroffen, aber eigentlich lebe ich schon immer hier. Wirklich. Wir haben hier unsere Sommer verbracht. Meine Mutter hat den See so sehr geliebt, aber sie ist vor Kurzem gestorben. Wie auch immer, sie hätte auf einem Korb bestanden …« An dieser Stelle hielt Jane inne – nicht weit davon entfernt, wie sie überzeugt war, vollends in Geplapper zu versinken.
    »Lady Jane, ich habe durchaus Willkommenskörbe wie diesen erhalten«, erwiderte Byrne, drehte sich weg und überschritt die Schwelle zu seinem Haus. »In der Regel enthalten sie allerdings mehr neugierige Fragen als Marmelade und Gelee.«
    Jane musste eingestehen, dass seine scharfsinnige Bemerkung über die Neugier der Dorfbewohner zutraf, aber sie wollte keinesfalls, dass er sie für gleichermaßen neugierig hielt. Ganz gleich, wie groß ihre Neugier im Moment auch sein mochte.
    »Ja. Ich bin ja wie gesagt auch erst seit gestern wieder hier und habe ein solches Willkommen ertragen müssen. Aber immerhin kommen Sie auf diese Weise an einen Vorrat an Marmeladen und Gelees«, rief sie ins Haus hinein und achtete sorgsam darauf, die Schwelle nicht zu übertreten. Was aber nicht hieß, sich einen Blick ins Innere zu versagen.
    Jane konnte sich erinnern, dass sie in jungen Jahren das Haus der Witwe Lowe immer als faszinierend empfunden hatte. In ihrem Kleid, das an den Knien schmutzig gewesen war, und mit Händen, an denen Baumharz klebte, war sie zur Witwe Lowe hinübergerannt und hatte um Süßigkeiten gebettelt. Bis sie sich das Harz von den Händen gewischt hatte, war sie von Witwe Lowe nur auf die Veranda gelassen worden – im Haus musste alles reinlich bleiben. Oh, wie hatte Witwe Lowe sich über ihre Besuche aufgeregt – was für ein schmutziges Kind! Wie um alles in der Welt konnte sie die Tochter einer Duchess sein? Aber Jane hatte gespürt, dass die alte Frau sich insgeheim über ihre Besuche gefreut hatte, denn sie besaß einen geheimnisvollen Vorrat an Tee und von dem Zitronenkuchen, den Jane am liebsten mochte.
    Erst wenn sie Witwe Lowes Maßstab für Sauberkeit erfüllt hatte, durfte sie das Haus betreten. Es war angefüllt mit allerlei Tand, zarten Figurinen, Kerzenhaltern aus Porzellan, die wie Blüten geformt waren … alles ziemlich kitschig und billig und heiß geliebt. Und alles Dinge, die in keinem der Häuser des Dukes of Rayne zu finden waren. Hier war Jane jung gewesen – und fasziniert.
    Aber einige dieser Dinge – der Fisch aus Kalkstein, der im Regal gestanden hatte, die Spitzendeckchen, die auf allen Tischen gelegen hatten – fehlten jetzt.
    »Dachte ich es mir doch, dass Sie neugierig sind«, riss Byrnes’ Stimme sie aus ihren Gedanken.
    Jane kniff die Augen zusammen. Was für eine unverdiente Unterstellung! Er glaubte wohl, sie zu kennen? Jane warf ihm einen eisigen Blick zu und verzichtete auf jegliche Freundlichkeit, da er das offenkundig auch tat. »Verraten Sie mir doch eines«, fuhr sie in ihrem kühlsten Tonfall fort. »Wenn ich so mürrisch wäre wie Sie, glauben Sie, dass ich dem Drang menschlicher Neugierde dann widerstehen könnte?«
    Byrne hielt inne. »Vermutlich nicht«, entgegnete er, und es klang ein wenig zerknirscht. Jane beobachtete ihn weiter und zog leicht missbilligend die Stirn kraus, als er ein Tuch vom Stuhl nahm und sich das Seewasser aus dem Haar rieb. Es war länger, als die Mode es vorschrieb. Es kringelte sich leicht um die Ohren, was vermuten ließ, dass sein Kammerdiener eher nachlässig darin war, es regelmäßig zu schneiden. Als er fertig war, schlang Byrne sich das Handtuch um Nacken und Schultern; er fing Janes Blick auf und zog kurz die Brauen hoch.
    »Sollen wir vielleicht einfach noch mal von vorn anfangen?«, schlug er vor, und als sie nickte, fuhr er fort. »Lady Jane, was für eine wunderbare Überraschung. Wie schön, Sie zu sehen.«
    »Danke, gleichfalls«, setzte sie das Spiel fort und knickste. Dabei musste sie das Lachen unterdrücken, denn sie führte gerade die wohl merkwürdigste Unterhaltung ihres Lebens. »Ich bin hergekommen, um mich für die Freundlichkeit zu bedanken, die Sie meinem Bruder erwiesen haben.«
    »Ach, das war doch nicht der Rede wert, Mylady. Ihr Bruder ist ein Dummkopf; ich bin mir sicher, dass so etwas ständig vorkommt.«
    Darauf wusste Jane keine Antwort.
    Byrne

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