Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
musste die Peinlichkeit seiner letzten Bemerkung auch aufgefallen sein, denn einen Moment lang schaute er sich um, als hoffte er, den Blick auf irgendetwas richten zu können, das ihn aus seiner Lage erlösen würde. Dann wandte er sich abrupt um und trug den Korb in den hinteren Bereich des Hauses, wo die Küche lag.
»Äh …«, Jane kämpfte darum, die Stille zu füllen, »was ist mit dem Steinfisch passiert?«
»Was für ein Steinfisch?«, rief Byrne aus der Küche. Er benutzte seinen Stock, um eine Dose von einem der hohen Wandborde herunterzuholen.
»Der, der immer im Regal stand. Und die Spitzendeckchen auf dem Tisch? Und die Schäferfigurinen?« Sie stand noch immer vor der Haustür auf und achtete darauf, ihre Stimme lässig klingen zu lassen.
Byrne zog ganz leicht die Brauen hoch, als er die Dose aufstemmte. »Ach so. Die sind fort.«
»Warum? Sie sind jemand anderem vermacht worden, nehme ich an?« Jane lächelte ein wenig, als ihr Blick auf einen der Tische fiel. »Aber die Blumenkerzenständer haben Sie immer noch.« Bevor er eine Antwort geben konnte, strich ein leichter Wind durch das offene Küchenfenster und durch das Zimmer bis zur Tür. »Ist das etwa …«, Jane atmete tief durch, »… ist das Jasmintee?«
»Ja«, erwiderte Byrne überrascht. »Er ist Teil des Erbes. Tante Lowe besaß eine bemerkenswerte Sammlung …«
»Oh, ich weiß! Sie hat Tees gesammelt. Tees aus aller Welt und sie hat sie nur zu besonderen Gelegenheiten getrunken. Den Jasmintee hat sie mir immer zu meinem Geburtstag gemacht. In der ganzen Gegend hatte niemand solchen Tee wie sie.«
»Nun, wenn das so ist, dann möchten Sie sich mir vielleicht anschließen und eine Tasse mit mir trinken?«, fragte Byrne.
Jane sah ihn verblüfft an. »Ob ich mich Ihnen anschließe?«
»Ja, ich versuche, die Tees zu trinken, ehe sie verderben. Der Darjeeling war nicht mehr zu retten, aber der Gunpowder und der Jasmin haben bisher überlebt.« Er zuckte die Schultern und beantwortete ihre stumme Frage. »Ja, ich kann Tee kochen. Kommen Sie herein.« Er setzte den Teekessel auf das Feuer. »Ich verspreche, Sie nicht wegen unbefugten Eindringens zu belangen.«
Nein, sie sollte es nicht tun. Ganz gleich, wie viel Zeit sie früher in diesem kleinen Haus verbracht hatte, jetzt war es die Unterkunft eines Gentlemans. Eines alleinstehenden Gentlemans.
Aber …
Aber seit ihrer Ankunft im Cottage war dies die erste Unterhaltung, in der es weder darum ging, über ihren Bruder die Todesstrafe zu verhängen, noch darum, dass sie als Fünfjährige nackt einem Hund über den Dorfplatz nachgejagt hatte. Vielleicht war es merkwürdig, anders als förmlich mit einem halb nackten, von seinem Bad im See nassen Mann zu reden, aber es war auch merkwürdig tröstend. Denn er war jemand, der sie nicht als Kind gekannt hatte, der sie nur so kannte, wie sie jetzt war.
Oh, trotzdem sollte sie Nein sagen. Sie sollte sich verabschieden, sich noch einmal bei ihm bedanken, dass er Jason geholfen hatte, und sich wieder auf den Weg machen. Würde sie ihm in Reston begegnen, würde sie freundlich lächeln und höflich mit ihm plaudern. Und sich arrogant geben, da es unweigerlich zu Klatsch und Tratsch führen würde, wenn sie ihn zur Freundschaft ermutigte. Und keinesfalls wollte sie zu Spekulationen über ihr Haus einladen. Es spielte keine Rolle, wie sehr er sich um diese Freundschaft zu bemühen schien.
Aber …
Aber die alte Jane hätte es getan. Die Jane, die sie vor dem Tod ihrer Mutter und vor der Erkrankung ihres Vaters gewesen war, hätte sich glücklich geschätzt, sich bis in das Wohnzimmer eines Gentlemans zu flirten. Sie hätte gelächelt und gelacht und jeden gehenkt, der das Wort gegen sie erhoben hätte. Und auch wenn Jane jetzt rückblickend feststellte, wie oberflächlich und dumm sie eigentlich gewesen war, gab es doch auch einen Teil in ihr, der wünschte, sie könnte wieder sorglos und glücklich sein.
Sie würde Nein sagen. Das war beschlossene Sache. Gerade hatte sie ein freundlich ablehnendes Lächeln aufgesetzt. Die Haltung der Bußfertigkeit. Aber dann …
Wieder hatte sich der leichte Wind erhoben und trug den Duft von Jasmintee heran. Jane empfand Sehnsucht nach etwas, das sie vergessen hatte. Nach einer Zeit, in der sie noch nicht gewusst hatte, wie man flirtete und ihr die Männer noch nicht zu Füßen gelegen hatten. Sie sehnte sich zurück in die Zeit, als sie dürr und linkisch, schmutzig und voller Glück gewesen war, jung zu
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