Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
sehr, weil er sich nicht erneut überanstrengen und noch einmal diese Höllenqualen durchleiden wollte. Dr. Berridge kam vorbei; nachdem er gegen den schlimmsten Schmerz wiederholt eine Dosis Laudanum vorgeschlagen hatte und dies harsch abgelehnt wurde, beharrte er darauf, dass Byrne den größten Teil des Tages im Bett verbrachte (oder auf dem Sofa, worauf Byrne beharrte). Byrne gehorchte, wenn auch brummig. Unglücklicherweise bedeutete sein Gehorsam aber auch, dass er zu Hause war, wann auch immer jemand vorbeischaute – und es erweckte den Eindruck, als schere sich kein Dorfbewohner darum, ob Byrne sich nun in einem Zustand befand, in dem er jemanden empfangen konnte oder nicht.
Mrs Hill stattete ihm als Erste einen Besuch ab, zu einem Zeitpunkt, als er kaum mehr als Hemd und Hose trug und das schmerzende Bein auf Kissen hochgelagert hatte. Freundlich flatterte sie um ihn herum und stellte einen Korb mit eingemachten Blaubeeren samt frischem Brot in der Küche ab, während sie ihm die ganze Zeit erzählte, mit welch unglaublicher Tapferkeit er den armen Jungen vor dem Ertrinken gerettet hatte. Dann ging sie dazu über, an seinen alten Vorhängen zu zupfen und ihm zu berichten, dass sie das Sortiment ihres Kleiderladens auf Webstoffe ausweitete, Vorhänge eingeschlossen, und ob er daran interessiert sei, die »Hütte zu schniegeln und zu striegeln«, wie sie sich ausdrückte.
Kurz darauf tauchte Mrs Morgan auf, auch mit Korb, bestückt mit einem Stück Schinken von ihrem Hof; sie pries Byrnes Heldenhaftigkeit und erkundigte sich, ob er eine Ahnung habe, wohin Mr Morgans Jolle wohl abgedriftet sein mochte. Das Boot war immer noch nicht gefunden worden, was überraschte, da der Merrymere doch ein eher kleiner See sei. Auf Mrs Morgan folgte Mrs Cutler, die Käse mitbrachte.
An jenem ersten Tag brauchte es nur eine halbe Stunde, bis sein kleines Wohnzimmer mit Leuten aus dem Dorf gefüllt war. Und den Grund sollte Byrne schon bald herausfinden. Denn es dauerte nicht lange, bis alle im Zimmer kicherten und durcheinanderredeten und an ihrem Tee nippten (jemand hatte das alte Service von Witwe Lowe gefunden und eine Kanne ihres exotischen Tees aufgebrüht), als Lady Wilton eintraf – mit einem wahrhaft riesigen Obstkorb mit Äpfeln von ihrem Apfelbaum – und die Aufmerksamkeit aller Besucher auf sich lenkte.
»Mr Worth«, begann sie, und in ihrer Stimme schwang zum Gefallen ihres Publikums eine gewisse getragene Hochnäsigkeit mit, »ich bin gekommen, mich bei Ihnen für die Freundlichkeit zu bedanken, welche Sie meinem Sohn Joshua erwiesen haben. Ohne Sie wäre er heute nicht mehr am Leben.«
Die Ladys applaudierten Byrne, während Lady Wilton hoheitsvoll Platz nahm. Pflichtgemäß nahm sie dann die Fragen der anderen entgegen, die alle begierig wissen wollten, wie es Joshua ginge, was der Arzt für seine Pflege angeordnet hatte und was unternommen werden sollte, um diesen gefährlichen Hohlkopf aus dem Merrymere zu entfernen, sodass andere Jungen gar nicht erst in Versuchung gerieten, auf ihm herumzuklettern.
Es kostete Byrne all seine Selbstbeherrschung, die Meute nicht auf der Stelle aus dem Haus zu jagen.
Es war mehr als bewundernswert, wie er Haltung bewahrte. Und das, obwohl er nicht wusste, wie lange er diese Situation noch würde ertragen können. Also zog er ein schmerzverzerrtes Gesicht und stöhnte laut auf.
Dies hatte zur Folge, dass die Frauen aufsprangen und sich entschuldigten, dass ihr Besuch Mr Worth ermüdet hatte und ihnen das entgangen war. Während alle hinausgingen, blieb Lady Wilton zurück und verkündete, sie wolle sich noch darum kümmern, dass er es behaglich habe. Gerade hatte sie angefangen, eine Decke auszubreiten und sich über die altmodische Einrichtung des Hauses auszulassen (was Byrne ihr übel nahm – schließlich war er Junggeselle, was ihm gestattete, Derartiges zu vernachlässigen), als Dobbs eintrat und Holz für den Ofen mitbrachte. Byrne machte ihm ein unmissverständliches Zeichen, was allerdings kaum nötig war: Dobbs hatte Lady Wilton aus dem Haus gescheucht, bevor sie auch nur ein einziges weiteres Kissen aufschütteln konnte.
Am nächsten Tag statteten die Männer aus Reston Byrne ihren Besuch ab. Diese Aufwartungen verliefen wesentlich kürzer und auch nicht gruppenweise; aber trotzdem hockten die Männer verlegen in seinem Wohnzimmer herum und versuchten, ein Gespräch in Gang zu bringen. Einige erkundigten sich nach seiner Familie in London – angesichts
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