Der Sommer, der nur uns gehoerte
sie sei nicht auf ihn wütend. Sondern ganz allein auf mich.
Als ich einmal nach der Spätschicht im Restaurant nach Hause kam und in mein Zimmer wollte, hörte ich plötzlich aus dem Schlafzimmer meiner Mutter gedämpftes Weinen. Ich blieb wie angefroren stehen. Als ich so dastand, vor ihrer geschlossenen Tür, und sie weinen hörte, da war ich bereit, alles aufzugeben. In jenem Moment hätte ich alles getan, alles gesagt, nur damit sie nicht mehr weinte. In dem Moment hatte sie mich. Meine Hand lag schon auf dem Türgriff, und die Worte lagen mir auf der Zunge â Ist ja gut, ich tuâs nicht.
Doch dann wurde es still. Sie hörte ganz von allein auf zu weinen. Ich wartete noch ein Weilchen, und als es still blieb, lieà ich den Türgriff los und ging in mein Zimmer. Ich zog meine Arbeitskleidung aus und ging ins Bett. Und dann weinte ich auch.
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Der Duft des türkischen Kaffees, den mein Vater immer trank, stieg mir in die Nase und weckte mich. In den wenigen Sekunden zwischen Schlafen und Wachen war ich wieder zehn, mein Dad wohnte noch bei uns, und ich hatte keine gröÃeren Sorgen als meine Mathe-Hausaufgaben. Beinahe wäre ich wieder eingeschlafen, doch plötzlich war ich hellwach.
Es konnte nur einen einzigen Grund dafür geben, dass Dad da war. Meine Mutter hatte ihm alles gesagt. Dabei hatte ich es ihm doch selbst sagen wollen, ihm alles erklären. Und jetzt war sie mir zuvorgekommen. Das machte mich wütend, aber gleichzeitig war ich auch erleichtert. Dass sie es meinem Vater gesagt hatte, bewies, dass sie die Sache endlich ernst nahm.
Nach dem Duschen ging ich hinunter. Sie saÃen zusammen im Wohnzimmer und tranken Kaffee. Dad hatte Freizeitkleidung an, Jeans und ein kurzärmliges kariertes Hemd. Und einen Gürtel, natürlich. Dad trug immer einen Gürtel.
»Morgen«, sagte ich.
»Setz dich«, sagte meine Mutter und stellte ihren Kaffeebecher auf einen Untersetzer.
Ich setzte mich. Meine Haare waren noch nass, und ich versuchte, sie mit einem Kamm zu entwirren.
Mein Vater räusperte sich, dann sagte er: »Also, deine Mutter hat mir erzählt, was hier los ist.«
»Dad, ich wollte es dir selbst erzählen, wirklich. Mom ist mir zuvorgekommen.« Dabei warf ich ihr einen scharfen Blick zu, doch das schien sie nicht im Mindesten zu bekümmern.
»Ich bin auch nicht dafür, Belly. Ich finde, du bist noch zu jung.« Wieder räusperte er sich. »Wir beide haben über die Angelegenheit gesprochen, und wenn du im Herbst mit Jeremiah zusammenziehen willst, dann erlauben wir das. Wenn die Miete teurer ist als im Wohnheim, wirst du selbst dazu beitragen müssen, aber wir bezahlen dir weiterhin das, was wir bisher auch bezahlt haben.«
Damit hatte ich nicht gerechnet. Mit einem Kompromiss. Garantiert war das Dads Idee, doch ich war nicht bereit, auf diesen Deal einzugehen.
»Dad, ich will nicht einfach so mit Jeremiah zusammenleben. Das ist nicht der Grund, weswegen wir heiraten wollen.«
»Aber warum dann?«, fragte meine Mutter.
»Wir lieben uns. Und wir haben alles durchdacht, wirklich.«
Meine Mutter zeigte auf meinen Ring. »Wer hat den Ring bezahlt? Ich weià doch, dass Jeremiah keinen Job hat.«
Ich legte die Hand in den SchoÃ. »Er hat ihn mit seiner Kreditkarte bezahlt.«
»Der Kreditkarte, für die Adam aufkommt. Wenn Jeremiah sich keinen Ring leisten kann, dann soll er auch keinen kaufen.«
»Er hat nicht viel gekostet«, sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, doch der Diamant war ganz klein, deswegen vermutete ich, dass der Ring nicht so furchtbar teuer gewesen sein konnte.
Seufzend sah meine Mutter erst meinen Vater an und dann mich. »Du glaubst es vielleicht nicht, aber als dein Vater und ich geheiratet haben, haben wir uns sehr geliebt. Sehr, sehr geliebt. Und wir sind mit den besten Vorsätzen in unsere Ehe gegangen. Doch selbst das alles hat nicht gereicht, um uns über Wasser zu halten.«
Ihre Liebe zueinander, Steven und ich, unsere Familie â nichts davon hatte ausgereicht für eine funktionierende Ehe. Das alles wusste ich längst.
»Bereust duâs?«, fragte ich.
»Belly, so einfach ist das nicht.«
Ich fiel ihr ins Wort. »Bereust du es, dass wir deine Familie sind? Dass du Steven und mich bekommen hast?«
Sie seufzte tief. »Nein.«
»Und du, Dad?«
»Belly â nein! Natürlich nicht. Das wollte
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