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Der Sommer der Schmetterlinge

Der Sommer der Schmetterlinge

Titel: Der Sommer der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lisboa
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nicht mehr, weil es für den Beruf als Ballerina übt. Jetzt will es vermeiden, dass es gehört wird, es will nicht, dass die anderen wissen, dass es weiß.
    Die Zypressenzapfen liegen auf dem Boden verstreut.

DUNKELROTE ROSEN
    Als der erste morgendliche Schmetterling die Flügel öffnete und sich über dem für ihre Töchter verbotenen Steinbruch in die Höhe schwang, war Otacília schon lange auf. Sie hatte den Tagesanbruch und die allmähliche Auflösung der Schatten miterlebt, die das Tal wie ein Teppich zudeckten. Um drei, vier Uhr am Morgen erschien die Welt milchig und schemenhaft, sie verwandelte sich in eine Art Zwischenreich. Die Dinge waren noch nicht oder nicht mehr. Zu dieser Zeit wach zu sein, das Haus zu durchstreifen und auf die Veranda hinauszutreten, war, als blickte man auf die andere Seite des Lebens, auf seine ungelebten Möglichkeiten. Mit der aufgehenden Sonne löste sich der Zauber immer mehr auf, die Welt nahm Konturen an, schlug gewissermaßen die Augen auf, und sie, Otacília, bedauerte es.
    Die Ehe war nicht das, was sie sich vorgestellt hatte, und das Leben im Allgemeinen auch nicht. Otacília hatte eine besondere Art, verzweifelt zu sein und sich damit zu rächen. Ihr Inneres war ein Buch mit sieben Siegeln. Sie redete wenig, aß wenig, handelte wenig, aber sie beobachtete viel.
    An diesem heißen, feuchten Sommermorgen liefen ihr zwei Tränen über das Gesicht. Ein Entschluss begann zureifen, ein friedensstiftender Entschluss, auch wenn er spät kam. Auch wenn man nicht sicher sein konnte, ob er noch irgendeinen Nutzen hatte.
    Gegen halb acht stand Afonso Olímpio auf und begab sich zum Frühstückstisch, den das Hausmädchen bereits mit frisch gemolkener Milch, Kaffee, Zucker, Maisbrot, Brot, Butter, Schnittkäse und Papayakompott gedeckt hatte. Der Gesang von Rotbauchdrosseln und Benteveos untermalte die morgendliche Kulisse.
    Afonso Olímpio begrüßte Otacília, die mit einer Tasse Kaffee in der Hand am offenen Fenster stand. In die Tasse hatte sie heimlich einen Schluck Cognac gegossen, der zum Teil für ihren friedensstiftenden Entschluss verantwortlich sein mochte.
    Gedankenschwer hörte sie sich antworten: Guten Morgen, Afonso Olímpio.
    Mit einer einzigen fließenden Bewegung ließ er sämtliche Fingerknochen knacken, seufzte tief und musterte bedächtig den Tisch.
    Heute verkaufen wir bestimmt die restlichen Bohnen, die dreißig Sack, meinte er zufrieden.
    Er ähnelte immer noch jenem Afonso Olímpio, der die hoffnungslose, ledige Otacília im Haus ihrer Eltern besucht hatte, dem Mann, bei dem sie sich getraut hatte, begrabene Träume wiederauferstehen zu lassen, und den sie am glücklichsten und unwirklichsten Tag ihres Lebens geheiratet hatte. Ein Mineiro mit dem Habitus der Leute aus Minas Gerais: zurückhaltende Worte und klare Gesten, Einfachheit. Es war sehr leicht, an Afonso Olímpiound sein sanftes Äußeres zu glauben, an seine ruhigen Sonntagnachmittage, die er mit einem Buch auf dem Schoß und einer Pfeife im Mund verbrachte. Fünf Tage oder fünf Jahre des Zusammenlebens, der allgemeine Eindruck war, dass er keine Trümpfe im Ärmel verbarg. Dass er ein wenig mittelmäßig, wenn nicht gar beschränkt war. Afonso Olímpio schien nur aus Oberfläche zu bestehen, im Wesentlichen aber wohl doch ein guter Mensch zu sein – gut, wie allein die Sanftmütigen es sein können. Er war klein, mager, wirkte unscheinbar, schien ganz in seinem süßlich riechenden Pfeifenrauch aufzugehen. Er benahm sich, als litte er an der Krankheit Normalität.
    Morgen muss ich zum Arzt, erinnerte ihn Otacília, und er nickte. Er würde sie mit dem Auto hinbringen, das er nur selten aus der Garage holte (jeden zweiten Tag ließ er den Motor laufen, damit die Batterie sich nicht entlud). Er würde sie begleiten und mit dem Arm stützen. Vor allem würde er sein Möglichstes tun, damit niemand etwas erfuhr , vor allem die Mädchen nicht. Im Haus herrschte ein oberstes Gesetz, nach dem die Dinge zwar existieren konnten, aber nicht benannt werden durften. Man durfte nicht an sie rühren. Die äußere Form musste stets gewahrt bleiben, der Anschein, das Lächeln, selbst wenn auf einer anderen, gefährlich nahen Ebene alles eine Farce war.
    Otacília holte Luft, gab ihrer Stimme Festigkeit und sagte in ruhigem Ton: Ich habe beschlossen, Clarice nach Rio de Janeiro zu schicken. Aufs Gymnasium.
    Afonso Olímpio kaute das Stück Maisbrot, das er gerade abgebissen hatte, zu Ende. Dann trank er

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