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Der Sommer der Schmetterlinge

Der Sommer der Schmetterlinge

Titel: Der Sommer der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lisboa
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einenSchluck Kaffee und tupfte den Mund mit der Serviette ab. Er sah seine Frau nicht an, fast nie sah er ihr in die Augen. In ihren Umgangsformen ähnelten sie sich, trotz allem. Er hustete zurückhaltend und wohlerzogen und bedeckte den Mund mit der linken Hand, während die rechte die erhobene Tasse am Henkel hielt. Die Drosseln und Benteveos draußen ließen sich nicht stören, munter zwitscherten sie weiter.
    Was ist der Grund für diese Entscheidung?, fragte er, ruhig wie immer, die Stimme gesenkt, die Worte aus Samt.
    Otacília machte eine unbestimmte Handbewegung und sagte: Es ist wegen ihrer Zukunft. Hier bei uns gibt es keine höhere Schule. In Rio de Janeiro kann sie das Abitur machen, Französisch lernen oder ein Instrument.
    Afonso Olímpio blieb in Deckung. Er sagte: Ich weiß nicht, ob ich das für eine gute Idee halte.
    Wir haben schon darüber gesprochen, sie und ich, log Otacília. Und meine Tante Berenice weiß auch Bescheid, Clarice kann bei ihr wohnen, log sie abermals.
    Du hast keine Zeit verloren, sagte er.
    Otacília schwieg. Sie verschränkte die Hände, wie sie es zum Beten getan hatte, als sie noch an Gott glaubte und nicht nur deshalb zur Sonntagsmesse in Jabuticabais gegangen war, weil die Leute es von ihr erwarteten.
    Du hast also schon mit deiner Tochter darüber gesprochen, wiederholte Afonso Olímpio, und Otacília nickte.
    Das mit unzähligen verbotenen Bedeutungen aufgeladene Schweigen lastete schwer. Otacília hatte Angst.Afonso Olímpio in gewisser Hinsicht ebenfalls. Eine diffuse Angst, die umso erschreckender war, als sie den kristallklaren, fröhlichen Gesang der Benteveos und Drosseln nicht störte. Otacília merkte, dass sie vergessen hatten, die große Standuhr aufzuziehen. Untätig und stumm hing das Pendel herab.
    Sie entschuldigte sich, stand auf, ging zu Clarices Zimmer und drehte den Griff. Die Tür war nie verriegelt, da es den Mädchen in diesem Haus verboten war, sich in ihren Zimmern einzuschließen. Sie fand die Tochter nicht in ihrem Bett vor und wusste sofort Bescheid. Sie ging weiter den Korridor entlang und öffnete die Tür von Maria Inês’ Zimmer. Dort lagen sie beide im selben Bett, spiegelverkehrt, um den Platz besser auszunutzen. Maria Inês schlief mit offenem Mund, ein winziger Speichelfaden zog sich von ihrem Mundwinkel zum Kissen. Auf dem Nachttisch stand ein mit einer Untertasse abgedecktes Glas Wasser (Maria Inês fürchtete, in der Nacht ein ertrunkenes Insekt zu verschlucken), dahinter saß die Ballerinapuppe, ihr größter Schatz. Auf dem Boden neben dem Bett standen zwei Paar Stoffpantoffeln, ein gelbes, größeres, und ein blau-weißes, kleineres. Auf der Kommode bahnte sich ein schwarzer Käfer, die Beinchen voller Staub, mühsam seinen Weg. Sobald sie wach war, würde Maria Inês ihm helfen, ihn reinigen und zurück in den Garten bringen. Auch wenn er sein unüberlegtes, selbstmörderisches Eindringen in der nächsten Nacht wiederholte. Otacília weckte Clarice nicht, sagte nichts, unterdrückte die Tränen, die sie immer weinte, wenn ihr dieganze Situation vor Augen trat, ihre Entscheidungen und Versäumnisse, die ersehnte Lust, die unmögliche Lust, der Schmerz, ihre eigene Abwesenheit und die gewaltsame Anwesenheit eines anderen. Leise schloss sie die Tür.
    Im Wohnzimmer sah sie Afonso Olímpio am Frühstückstisch sitzen: Er war stumm und sein Blick vollkommen leer. Sie setzte sich wieder zu ihm an den in Schweigen gehüllten Tisch und aß ein halbes Brötchen mit Butter. Obwohl sie keinen Hunger hatte. Nur weil das ihre tägliche Nahrung war.
    Sie hatten die Uhr bereits aufgezogen und ihre dunklen Zeiger gestellt, als Clarice zum Frühstück kam. Sie stand immer eher auf als Maria Inês, ausnahmslos, und nie erschien sie ungekämmt wie ihre Schwester, im Nachthemd und noch warm vom Schlaf, stets kleidete sie sich richtig an, frisierte ihr Haar und schlüpfte in ihre Schuhe.
    Guten Morgen, sagte sie mit ihrer leisen, höflichen Stimme, setzte sich hin, gab Milch, Kaffee und Zucker in ihre Tasse und schnitt sich ein Stück Maisbrot ab.
    Nach einigen Minuten Stille (relativer Stille, wegen der Benteveos und Rotbauchdrosseln) sagte Afonso Olímpio: Wie deine Mutter mir erzählt hat, habt ihr darüber gesprochen, dass du in Rio de Janeiro zur Schule gehen sollst. Du bist angeblich einverstanden.
    Hilfesuchend richtete Clarice ihren überraschten Blick auf Otacília, doch es kam keine Hilfe, und das Lärmen der Vögel machte ihre Einsamkeit

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