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Der Sommer der Schmetterlinge

Der Sommer der Schmetterlinge

Titel: Der Sommer der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lisboa
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Arm).
    In Tomas’ Wohnung standen nicht nur Farbtöpfe und Tintenfässer herum, es gab außerdem ein verstimmtes Piano mit einer defekten mittleren d-Taste. An jenem Nachmittag hatte Tomás zitternd den Schlüssel im Schloss gedreht und Maria Inês hineingebeten. Mit vor Aufregung klopfendem Herzen war er in die Küche gegangen, um Kaffee zu machen. Unterdessen entdeckte Maria Inês auf dem Klavier eine lustige kleine Figur, ein Geige spielendes Teufelchen, vielleicht war es auch ein Satyr, und daneben ein pyramidenförmiges Metronom. Sie setzte sich auf den Hocker und ließ ihre Finger über die weißen Tasten gleiten. Dann begann sie, die einfachen Stücke zu spielen, die sie aus dem Klavierunterricht kannte. Tomás kam aus der Küche und wollte gerade beichten, dass kein Kaffee mehr da sei, aber da sie spielte, setzte er sich im Schneidersitz auf den Holzfußboden und hörte zu. Was immer es war. Etwas Schönes oder Schauderhaftes, gut oder schlecht gespielt, solange sie es war, die spielte. Ihre Musik. Kleine Anfängerstücke aus dem Mikrokosmos von Béla Bartók, einfach und hübsch.
    Es war möglich. Es musste möglich sein. Was in Maria Inês’ Herzen vorging, blieb dunkel und verborgen, doch Tomás sehnte sich nach der Nähe ihrer Umarmung. Erbeobachtete, wie ihr Oberkörper sich beim Spielen wiegte, ihr Kopf sich im Rhythmus der Hände bewegte. Später sagte sie dann: Tomás, bitte verliebe dich nicht in mich, und er fragte lächelnd: Warum? Weil ich nicht in dich verliebt bin, antwortete sie. In dem Moment aber, und selbst nach dem Geständnis ihrer Nicht-Liebe, redete Tomás sich ein, dass es möglich war. Es musste möglich sein. Denn seine Liebe reichte vielleicht für zwei, wie ein großzügiges Gericht in einem Restaurant. Reichte vielleicht, um zwei Leute satt zu machen, eine doppelte Leidenschaft, die das Gewicht von zwei Schicksalen zu tragen und sie sogar zusammenzuführen vermochte.
    Von da an war die Vorstellung eines Lebens ohne Maria Inês für ihn gleichbedeutend mit einem verkehrten Leben. Einer Verfehlung des Lebens. Es geschah in dem Moment, als sie unter dem Blick des fidelnden Teufelchens (oder Satyrs) am Klavier saß. In diesem Moment entstand die Liebe, und fortan kümmerte es Tomás nicht, was sie sagte oder tat. Denn manchmal lebt die Liebe von ihrer Unwahrscheinlichkeit. Manchmal ist das Schwindelgefühl, das der andere in einem auslöst, zu groß, zu mächtig, und das einzige Mittel, damit umzugehen und es zu beherrschen, ist ein Übermaß an Liebe – so wie ein Trinker sich gleich am Morgen ein Schlückchen genehmigt, um den Kater vom Vorabend zu vertreiben.
    Lieben und daran glauben, dass es möglich war. All das in einer von Tomás ersehnten und nicht mehr unterdrückten Umarmung. Er umfing ihren Rücken, spielte mit ihren ungekämmten Haaren, während ihr Körper sich imRhythmus ihrer über die schwarz-weißen Tasten laufenden Hände hin und her wiegte. Béla Bartók. Die stumme Pyramide des Metronoms. Es musste möglich sein.
    Aus Rücksichtnahme zog Tomás die Vorhänge zu. Alles war ganz leicht und licht. Die Milde des winterlichen Nachmittags, die feuchte Gegenwart des Meeres, das Tasten und die Worte. Sie hatten das überwältigende Gefühl, dass es schon immer so gewesen sei, zwischen ihnen. Tomás war mager, ziemlich mager, aber Maria Inês gefiel es, mit den Fingern seine Schulterblätter nachzuzeichnen. Dabei spürte sie weder Verwunderung noch eine Erschütterung, die über den Eindruck der Einfachheit hinausgegangen wäre. Donner rollten über den Himmel – bald würde es regnen. Bis dahin aber war es, als fertigte Tomás Skizzen von Maria Inês an, ohne Stift, ohne Papier und sogar ohne das übliche Schweigen. Skizzen wie Tätowierungen, er entwarf sie direkt auf ihrer lebendigen Haut. Alles war ganz leicht, blieb leicht. Ihre Blässe und seine Magerkeit, unverfälscht und ohne Schmerz zur Schau gestellt, gemeinsam geteilt, und endlich waren sie eins.
    Hinterher sagte er: Das habe ich mir schon lange gewünscht. Und dann war alles gut, er lächelte und glaubte, in ihr sein eigenes Lächeln gespiegelt zu sehen, unendlich wie das Meer und stets neu.
    So trat Tomás in Maria Inês’ Welt ein, eine Welt voller trauriger Freuden, empfindlich wie Tortenschmuck. Inzwischen hatte sie den Körper einer richtigen Frau (hatte ihn errungen, hatte ihn geschaffen), aber sie war immernoch ein Mädchen. Sie hatte Angst vor Gespenstern, denn sie kannte sie seit langem. Tomás

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