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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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wie Corinne ihn beschrieb. Doch bisher wusste ich nichts weiter über ihn, als dass er redegewandt war. Er wollte um jeden Preis bei uns Eindruck schinden.
    »Außerdem zieht er sich immer so seltsam an«, fügte Corinne hinzu. »Als wäre er ein Künstlertyp.«
    Während unserer Unterhaltung kam Beth herein und schlich wie eine Katze im Zimmer herum. »Angeblich ist sein Vater ein supererfolgreicher Immobilienmakler«, mischte sie sich ein und spitzte ihren Rosenblütenmund, als hätte sie auf etwas Ekliges gebissen. »Ich wette, er hat beim Zusammenbruch des Immobilienmarktes ein Vermögen verloren.« Sie räkelte sich genüsslich auf Corinnes Bett. Ihr sonnenblondes Haar fächerte sich über dem weißen Kissenbezug auf. »Ein Sommerhaus in den Hamptons zu mieten muss diesen Leuten ein Riesenloch ins Portemonnaie reißen«, fuhr Beth fort. »Ich bezweifle, dass wir sie nächstes Jahr wiedersehen.«
    »Genauso wenig wie Römersandalen«, bemerkte Corinne spitz, und Beth lachte zwitschernd über ihren Scherz.
    »Natürlich spielt es gar keine Rolle, ob jemand Geld hat oder nicht«, fügte Corinne rasch hinzu, als sie meine steinerne Miene sah. »Aber Simon ist eben einfach …« Sie suchte nach Worten. » LC, Lower Class  … er muss erst mal lernen reich zu sein«, erklärte sie schließlich und stach bekräftigend mit einer Feile in die Luft. »Ganz egal, wie er sich anstrengt, stylish zu wirken. Ich meine, sieh dir doch nur mal dieses Haus an. Zwar haben sie es nur gemietet, aber trotzdem …«
    Lower Class. Corinne redete genau wie meine Mutter. Obwohl wir nicht gerade zur High Society gehören, bezeichnet Mom ständig andere Leute als noveau riche, neureich. Wie oft erinnert sie mich daran, dass wir aus »gutem Hause« stammen und die Herkunft doch immer durchschlage. Für Mom äußert sich das in Kleinigkeiten, etwa, dass wir im Winter keine Weihnachtsbeleuchtung außerhalb des Hauses anbringen oder keine Familienfotos im Kaufhaus machen lassen. Das gehört sich einfach nicht. Sogar Eva wird getadelt, wenn sie für den Geschmack meiner Mutter in zu starken Südstaatenslang verfällt.
    Ich habe nie kapiert, wie meine Mutter die Tatsache, dass mein Vater einen Baumarkt besaß, mit ihrem Hang zu Höherem vereinbaren konnte, aber sie fand immer einen Weg, um unsere Familie als etwas Besonderes zu deklarieren. In der Vorstellung meiner Mutter waren es kleine, bedeutungslose Dinge, die jemanden als »in« oder »out«, als »guten« oder »schlechten« Umgang auszeichneten.
    Ich hasse diese dummen Sprüche. Oberschicht, Unterschicht. Alter Geldadel, Neureiche. Aufsteiger fanden nur ihre Gnade, wenn sie den Stil und die geschliffenen Umgangsformen besaßen, die für Mom so bedeutend waren. Etwa Genevieve: Obwohl ihr Vater ein Internetmilliardär – also alles andere als alter Geldadel – war, verstand sie es, Luftküsschen auf die linke und rechte Wange zu hauchen.
    Diese Einteilung der Menschen in Klassenschubladen war offenbar auch meinen Cousinen wichtig. Simon tat mir leid, als Corinne so herablassend über ihn sprach. Andererseits war er meines Mitleids womöglich gar nicht wert. Wer sich bei den Partys meiner Cousinen einschmuggelte und sich so sehr anstrengte, durch Angeberei mit seinen wohlhabenden Eltern ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, verdiente es vermutlich nicht, dass man ihn näher kennenlernte. Schade. Ich hatte ihn anders eingeschätzt. Er wirkte so authentisch.
    Wer im Glashaus sitzt , dachte ich plötzlich und hielt mitten im Lackieren meines Daumennagels inne. Jeden Tag seit meiner Ankunft bemühte ich mich auf irgendeine Art und Weise, mich Corinnes Freundeskreis anzupassen, obwohl ich ständig mit ihnen aneinandergeriet. Meine Güte, gestern Abend wäre ich sogar bereit gewesen, zu kiffen, und zwar nicht, weil ich Lust dazu hatte, sondern nur, weil sie es taten! Und als Gen sich heute lustig über mich gemacht und meine Heimat Dschoor-dschaa verspottet hatte, hatte ich mich mit einem Scherz aus der Affäre gezogen, anstatt ihr auf der Stelle die Meinung zu sagen.
    Ich sah hinüber zu Gen, die wie ohnmächtig auf dem Bett lag und nichts sah und nichts hörte. Sie war immer noch oben ohne und träumte wahrscheinlich die leeren, glücklichen Träume, die Leute wie sie träumten: Kopien ihres eigenen Lebens, in denen ihnen alle folgten wie Straßenhunde … Dschooor-dschaa … Ich schluckte. Was war nur los mit mir? Seit wann suchte ich derart krampfhaft die Gesellschaft von überheblichen

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