Der Sommer der Toten
sicher, dass die Presse von der Sache nichts mitbekommt.“
„Das kann ich nur unterstützen“, warf Klaus ein. „Mit so einer Zombiefilm-Nummer, wo Sie jedem Untoten die Rübe wegballern, ist hier wohl niemandem gedient.“
„Wir werden in der Zwischenzeit eine Lösung suchen“, ergänzte Anna. „Das ist eine Sorte Lösung, für die es wahrscheinlich keine Polizeivorschriften gibt.“
Eichhorn blieb still und musterte die drei Freunde wortlos. Niemand vermochte seinem Mienenspiel eine Information zu entlocken, was er wohl in diesem Augenblick dachte. Auch vermochte niemand hinterher zu sagen, wie lange dieses angespannte Schweigen andauern mochte, ehe Eichhorn es brach.
„Das darf ich zwar nicht“, sagte er schließlich. „Aber in Anbetracht der Situation nehme ich eure Hilfe gerne an. Ich heiße übrigens Jürgen.“
23.
Bis zum frühen Abend hatte sich eine unwirkliche Situation entwickelt. Die drückende Hitze des Sommers hatte den kleinen Ort nach wie vor fest im Griff. Sie Straßen waren wie leer gefegt. Nur hin und wieder patrouillierte eine Polizeistreife – entweder zu Fuß oder im Streifenwagen. Hin und wieder torkelte ein Zombie durch den Ort. In großen unregelmäßigen Abständen fuhren auch immer wieder Notarztwaren an Annas Kneipe vorbei.
Die Bewohner von Burghausen bekam indessen niemand zu Gesicht. Diese hatten sich wohl in ihren Häusern verbarrikadiert. Insofern hatte die Polizei eine relativ leichte Aufgabe, denn unter diesen Umständen kam es nicht zu unkontrollierten Begegnungen zwischen Bewohnern und Untoten.
Die Zombies hatten sich indessen auf dem Friedhof des Hexenhügels versammelt. Irgendwie hatten sie es sogar geschafft, ein Feuer zu entfachen. Unten im Dorf konnte man es nur als unheimlichen roten Schein wahrnehmen, der als Silhouettenspiel die Ruinen der abgebrannten Gebäude als überdimensionale faulige Zähne offenbarte. Man erkannte auch vage Bewegungen. Jeder, der diese Bewegungen sah und wusste, was dort oben ablief, bekam eine Gänsehaut nach der anderen.
Einige Polizisten, die durch den Ort patrouillierten, glaubten gar, von dort ein latentes Gemurmel zu vernehmen. Niemand vermochte aber, diese Wahrnehmung in irgendeiner Form zu verifizieren.
Der Weg zum Hexenhügel wurde inzwischen auch von der Polizei gesperrt. Die Polizisten, die diesen Aufgang zu bewachen hatten, durften nur noch Personen passieren lassen, die augenscheinlich untot waren.
Nach und nach brach die Nacht herein. Die Temperaturen sanken zwar ein wenig, aber es wurde erneut eine Tropennacht.
Ein weiteres unangenehmes Problem, das jetzt auftrat, war, dass sich die lebenden Toten zwar bewegten, aber sich durch diese Tatsache neuerdings nicht länger davon abhalten ließen, zu verwesen. Die Temperaturen dieses Sommers beschleunigten diesen Prozess noch und damit hing innerhalb kurzer Zeit ein widerlicher Leichengeruch über dem Ort.
Dieser Leichengeruch drang auch in den Gastraum von Annas Pension. Annas Versuche, diesen Gestank mittels Räucherstäbchen und Duftölen zu verbannen, mündete lediglich in dem Ergebnis, dass der Gastraum roch, wie Leiche in Lavendel .
Allen Anwesenden war bewusst, dass sie in dieser Nacht keinen Schlaf finden würden. Folgerichtig hatte Anna bereits eine große Kanne Kaffee aufgesetzt und auch ausreichend Vorräte an heißem Kaffee in Thermoskannen nebst Einwegbecher und sonstigem Zubehör auf einen kleinen Klapptisch vor die Pension gepackt, damit sich die hier stationierten Polizisten bedienen konnten. Diese Aktion wurde dankbar angenommen.
Bianca hatte sich an einem abgelegenen Tisch im Gastraum gesetzt und nahm sich das Buch vor, das sie von Werner erhalten hatte. Teufels Werk in Gottes Hand , wie sich dieser Schmöker in modernem Hochdeutsch wohl nannte, beschrieb allerlei abergläubischen Unsinn, aber auch vieles, was Bianca in den letzten Tagen widerfahren war. Allein aus diesem Grund fiel es ihr schwer, die übrigen Inhalte dieses Buches einfach so als Aberglaube abzutun – so skurril die Vielzahl der aufgeführten Thesen auch auf die wirken mochte.
Mit Engelsgeduld kämpfte sie sich durch den halb altdeutschen, halb lateinischen Text und fasste die Inhalte auf einem bereitliegenden Notizblock in einer, wie sie es hoffte, verständlichen Sprache zusammen. Sie verbrachte bis weit nach Mitternacht ihre Zeit mit diesem Buch, während die anderen zusammensaßen, dabei entweder ihren trüben Gedanken nachhingen oder versuchten halbwegs plausible
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