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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Derbort
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mit.
    „Ich brauche von jedem Grab Erdproben“, erklärte sie Klaus. „Kommst du ohne mich klar?“
    Klaus nickte.
    „Okay, bis später dann“, sagte sie und rief Anna zu, dass die komme.
    Sie ging zu ihr und sah sie fragend an.
    „Keine Ahnung, was los ist“, sagte Anna. „Aber Pfarrer Schuster wirkt sehr beunruhigt.“
    Bianca nickte nur und folgte ihr ins Pfarrhaus.
    Pfarrer Schuster empfing die beiden Frauen mit sehr ernster Miene und bot ihnen gleich einen Sitzplatz an.
    „Bevor ich anfange“, sagte er schließlich, „noch eines vorweg. Was ich zu erzählen habe, Anna, betrifft zum Teil deinen Vater. Ich kann nicht von dir verlangen, dir das anzuhören. Aber die Entscheidung musst du treffen.“
    „Also nichts Angenehmes“, vermutete Anna dumpf.
    „Ganz und gar nicht“, antwortete Pfarrer Schuster ernst.
    „Danke“, sagte Anna nach einer kleinen Pause. „Ich denke, ich werde es mir anhören. Spätestens morgen würde ich Bianca löchern. Also bringe ich es gleich hinter mich.“
    Der Priester nickte.
    „Du bist eine mutige Frau, Anna“, sagte er. „Ich bete zu Gott, dass es auch dein Mut ist, der dich sicher durch das geleiten wird, was kommen mag.“
    „Worum geht es?“, fragte Bianca ungeduldig. Wenn sie etwas nicht leiden konnte, dann waren es solche unheilschwangeren Reden wie aus einem billigen Horrorfilm.
    „Nun denn.“ Pfarrer Schuster legte die Hände zusammen. „Ich habe heute herumtelefoniert. Annas Vater ist sehr früh und sehr plötzlich gestorben. Bei solch einem Tod ist es üblich, dass die Leiche obduziert wird. Auch Annas Vater wurde obduziert. Nach allem, was ich erfahren habe, war es absolut unmöglich, dass er lebendig begraben wurde.“
    „Aber es ist passiert“, beharrte Bianca.
    „Sein Herz wurde herauspräpariert und anschließend wieder hineingelegt. Das kann niemand überleben.“
    „Noch mal!“, Bianca war perplex.
    „Zu dieser Zeit war es teilweise üblich, dass Organe zur Veranschaulichung von Studenten herauspräpariert wurden. Diese Organe wurden hinterher wieder in die Körper gelegt, bevor sie zugenäht wurden. Das Herz von Annas Vater hatte irgendeine anatomische Auffälligkeit. Daher wurde es kurz zur Erläuterung für die anwesenden Studenten entnommen.“
    „Wie konnte das dann passieren?“, fragte Anna. Ihr Gesicht war kreidebleich.
    „Das weiß keiner.“ Pfarrer Schuster schwitzte. „Es hätte niemals passieren dürfen.“
    8.
„ Old Mac Donald had a farm – eeeh ei eeeh ei oh ... Verdammt, ich hasse Friedhöfe ... and on his farm he had a dog ... “
    Klaus kratzte vom Erdhaufen neben dem Grab eine Probe herunter und verstaute sie in ein steriles Gefäß. Danach legte er sich auf den Boden, um aus dem Grab möglichst tief eine weitere Probe zu entnehmen.
    Er war nervös. Auf diesem Friedhof herrschte eine unheimliche Atmosphäre, die er nicht näher zu beschreiben vermochte. Er wollte sich beeilen, um so schnell wie möglich von diesem Totenacker wegzukommen. Hoffentlich redete Bianca nicht zu lange mit dem Pfaffen.
    Es dauerte gut fünf Minuten, ehe er eine brauchbare Probe aus dem Grab geangelt und in ein weiteres steriles Gefäß verstaut hatte.
    Er beschriftete Etiketten und klebte sie auf die Gefäße, um noch später die Herkunft der Proben zuordnen zu können.
    Rasch nahm er seinen Rucksack und ging zum nächsten Grab. Der Mond am Himmel tauchte die Szenerie in unheimliches blauweißes Licht. Grabsteine hoben sich als schattenhafte Silhouetten vom Boden ab. Einige der Grabsteine sackten zu einer Seite ab, sodass sie schief in ihren Fundamenten standen. Alles in allem wirkten sie wie ein gigantisches sehr schlechtes Gebiss.
    Aus der Ferne hörte er Grillen zirpen. Irgendwo rief ein Uhu. Ansonsten war es totenstill.
    Auch in der Nacht wollte die schwüle Hitze nicht nachlassen. Klaus lief der Schweiß aus allen Poren. Dennoch war ihm merkwürdig kalt. Er konnte nicht sagen, woher dieses Gefühl kam. Er merkte nur, dass er so schnell wie irgend möglich hier weg wollte.
    Er hatte versucht, vor sich hin zu singen, als er die Proben nahm, er sprach mit sich selbst, erzählte sich selbst Witze. Nichts von dem trug dazu bei, dass er sich wohler fühlte. Vielmehr kam er sich vor, wie ein Vollidiot.
    Die Erdprobe vom Aushub des zweiten Grabes war rasch entnommen. Schwieriger war es wieder, möglichst tief aus dem Grab etwas zu entnehmen. Leise fluchend entnahm er den nächsten Spatel aus der sterilen Hülle, klemmte sich das

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