Der Sommer der Toten
Kaffee?“
„In der Kantine“, sagte Dr. Kovacz. „So viel Sie wollen.“
19.
Bianca hatte in der Tat schon eine gewisse Routine im Berichten der Ereignisse der letzten Tage. Allerdings klang die Geschichte in ihren Ohren auch nach dem dritten Mal nicht unbedingt glaubwürdiger.
Kovacz hörte ihr zu und unterbrach kein einziges Mal. Die drei konnten jedenfalls beobachten, wie das Gesicht des Arztes immer länger und nuancenweise bleicher wurde.
Biancas Erzählung endete damit, wie Kellermanns Verletzungen wirklich entstanden waren – eben so gut, wie sie es aus den Erzählungen der anderen rekonstruieren konnte.
„Ich lache immer noch nicht“, erklärte Kovacz tonlos, als Bianca mit der Geschichte fertig war. „Ohne die Hand in der Pathologie hätte ich Ihnen jetzt eine Überweisung für unsere psychiatrische Abteilung geschrieben. Mit dieser Hand im Schlepptau bringen Sie mich wenigstens so weit, dass ich mir die Sauerei in diesem Dorf mal genauer ansehen möchte.“
„Das ist gefährlich“, mahnte Klaus. „Sie haben ja Kellermann gesehen. Und mich haben Sie ja auch schon behandelt.“
„Ich dachte, bei Ihnen wäre es ein Unfall gewesen“, hakte Kovacz überrascht nach.
„Das stimmt auch“, erklärte Klaus. „Es ist zumindest die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist die, dass ich den Crash deswegen gebaut habe, weil ich einem Zombie ausgewichen bin. Nur möchte ich nicht wissen, wo ich gelandet wäre, wenn ich Ihnen das so erzählt hätte.“
„Im vierten Stock“, erklärte Kovacz.
„Was ist da?“
„Die psychiatrische Notaufnahme.“
„Nachdem wir das jetzt geklärt haben, können wir vielleicht mal weiter machen?“, funkte Anna ungeduldig dazwischen. „Ich darf vielleicht daran erinnern, dass uns die Zeit davon rennt.“
„Sie hat recht“, sagte auch Bianca. „Also gut, wenn Sie sich das alles ansehen möchten, dann biete ich ihnen hiermit eine Führung durch unser ganz spezielles Gruselkabinett an. Aber beschweren Sie sich hinterher nicht, wenn Sie Albträume kriegen.“
20.
Es wurde wieder sehr spät. Der Morgen graute, als sich alle Anwesenden trennten, um erst einmal eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Auch Kovacz ließ sich ein Zimmer in Annas Pension geben.
Zuvor haben sie Kovacz über den Friedhof geführt, ihm die offenen Gräber gezeigt, erklärt, was nicht mehr zu sehen war, da neben dem Pfarrhaus auch die nicht verwesten Leichen vollständig verbrannt waren.
Letztlich waren es zwei Details, die Kovacz endgültig überzeugt hatten. Zum einen war es die Hand, die immer noch aus dem Grab ragte und unentschlossen umhertastete, und zum anderen der Anblick, der sich dem Arzt bot, als Bianca mit einer lichtstarken Taschenlampe in das Loch leuchtete, aus dem sie Kellermann befreit hatten.
Mittlerweile hatte sich der lebende Leichnam von Vater Inquisitor bis zu dem Schutthaufen vorgearbeitet und versuchte, sich diesen Berg hinauf zu kämpfen, was allerdings aufgrund seiner zerstörten Gliedmaßen kläglich misslang.
Dieser Anblick sorgte dafür, dass Kovacz wie von einer Tarantel gestochen herumfuhr und fluchtartig den Friedhof verließ.
Er rannte so schnell den Weg vom Hexenhügel auf den Parkplatz an dessen Fuße hinunter, dass ihn die anderen drei, obgleich sie ihm umgehend folgten, erst am Parkplatz einzuholen vermochten.
„Ganz schön sportlich“, erklärte Klaus keuchend, als sie den immer noch wie Espenlaub zitternden Arzt eingeholt hatten.
„Das ist nicht wirklich witzig!“, kreischte Kovacz mit einem deutlich hysterischen Unterton in seiner Stimme.
„Ich habe Sie gewarnt“, sagte Bianca – ebenfalls recht atemlos. „Das hier ist unsere ganz private Horrorshow.“
Kovacz sah sich außerstande, sich zu weiteren Äußerungen durchzuringen. Fast noch mehr als der Anblick des lebenden Toten verwirrte ihn die lockere Art, mit der die drei die Situation betrachteten. Fast so, als wäre das, was hier passierte, die normalste Sache der Welt.
So kam es, dass sie schweigend den Parkplatz verließen und erst dann wieder redeten, als sie in dem Gastraum von Annas Pension saßen und Anna die ersten Getränke serviert hatte.
„Geht’s wieder besser?“ Es war Bianca, die das Wort ergriffen hatte und dabei Kovacz besorgt anblickte.
Kovacz war abgrundtief verstört. Obgleich er sich deutlich spürbar beruhigt hatte, war immer noch ein leichtes panisches Flackern in seinen Augen zu erkennen.
Kovacz nickte nur.
„Dann doch lieber Patienten mit scharfen
Weitere Kostenlose Bücher