Der Sommer der Toten
Infektion nicht überlebt. Tut mir leid.“
„Okay“, sagte Bianca und stand auf. „Lass uns zu ihm fahren.“
„Wie bitte?“, fragte Klaus entgeistert.
„Ich will ja nicht herzlos klingen“, sagte auch Anna, „aber ich glaube wir haben im Moment wichtigere Probleme, als dass wir uns jetzt leisten können, Krankenbesuche zu machen.“
„Und ich glaube“, widersprach Bianca entschieden, „dass dieser Krankenbesuch vielleicht noch einige Antworten bringen könnte. Ich weiß nicht, wieso ich jetzt unbedingt dahin will, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich sehr gut daran täte, es zu tun.“
„Na, wenn dir dein Gefühl das sagt, dann wird schon was dran sein“, antwortete Anna grinsend. „Okay, ich fahr dich hin.“
„Ich bleibe hier“, sagte Klaus. „Haltet eure Handys empfangsbereit. Ich habe den Eindruck, heute kommt noch viel Arbeit auf uns zu.“
„Ich bleibe auch hier“, erklärte Dr. Kovacs. „Ich will mich hier mal so richtig umsehen. Vielleicht finde ich auch noch ein paar Antworten.“
„Okay“, sagte Bianca. „Dann mal los.“
Anna nahm ihre Autoschlüssel und die beiden Frauen verließen den Gastraum.
Die beiden Männer warteten, bis sie wirklich alleine im Gastraum waren. Dann sahen sie sich an.
„Spüren Sie auch, was ich spüre?“, fragte Klaus.
„Irgendetwas stimmt hier nicht“, erklärte Kovacs. „Aber ich weiß nicht genau, was.“
„Irgendetwas mit der Atmosphäre“, vermutete Klaus. „Irgendwie wirkt alles gespannt.“
Kovacs schüttelte den Kopf.
„Nein“, erklärte er. „Es ist etwas anderes ...“
„Aber was?“ Klaus sah sich um, als würde die Antwort irgendwo auf der rustikalen Holzvertäfelung des Gastraumes stehen.
Kovacs schüttelte erneut den Kopf, gab aber keine Antwort.
Klaus war schon dabei, es dabei bewenden zu lassen, als Kovacs doch noch das Wort ergriff.
„Lassen Sie uns mal vor die Tür gehen“, schlug er vor.
Klaus zuckte mangels besserer Alternativen mit den Schultern und stand auf. Kovacs folgte ihm.
Gemeinsam gingen sie durch den Gastraum zur Hintertür, die als Nachteingang für die Pensionsgäste fungierte. Anna hatte die Haupttür abgeschlossen, sodass es nur diesen Weg hinaus gab.
Wenn man durch die Tür ging, gelangte man auf den Hinterhof des Gebäudekomplexes. Dieser war auf einer Seite mit einem Lagergebäude nebst Garage, auf der anderen Seite von dem Gebäudekomplex der Pension eingerahmt. Die Kopfseite wurde durch eine wenig zierreiche Betonmauer abgegrenzt und zur anderen Seite an dem Anbau vorbei, der die Küche beherbergte, ging es durch die Hofeinfahrt auf die Hauptstraße.
Der Verkehr, der auf dieser Hauptstraße herrschte, rechtfertigte solche Begrifflichkeiten eigentlich gar nicht. Die Autos, die hier vorbei kamen, gehörten entweder Bewohnern, die morgens zur Arbeit fuhren oder mittags von der Arbeit zurückkamen. Lediglich einige Hausfrauen mit ihren täglichen Erledigungen oder der eine oder andere Tourist kamen noch vorbei.
Klaus fiel allerdings schon nach wenigen Minuten auf, dass bereits ein Feuerwehrwagen und zwei Streifenwagen der Polizei an ihnen vorüberfuhren – freilich ohne eingeschaltetes Blaulicht, aber dennoch in einem für solch einen Ort auffallend kurzen Intervall.
Doktor Kovacs schien ähnlich zu denken, wenn Klaus sein Stirnrunzeln richtig interpretierte, mit dem der Arzt dem zweiten Streifenwagen hinterher blickte.
Dennoch war das nichts, weswegen man sich nachhaltiger Gedanken machen musste. Es war nichts weiter, als zwei Polizeiwagen die kurz hintereinander an ihnen vorüber gefahren waren. Mehr nicht.
Und trotzdem: Auch das schien irgendwie in ein Mosaik zu passen, dessen fertiges Bild noch irgendwo weit weg im Dunkeln zu liegen schien. Und Klaus wusste gar nicht, ob er dieses fertige Mosaikbild je zu Gesicht bekommen wollte.
Es war Dr. Kovacs, der ein nicht unwesentliches Teilchen hinzufügte.
„Das ist es!“, rief er plötzlich aus – so plötzlich und so laut, dass Klaus unwillkürlich zusammenzuckte.
„Was ist es?“, fragte er halb verärgert und halb beunruhigt.
„Hier ist absolut nichts los“, erklärte Kovacs in einer Begeisterung, die Klaus nur sehr schwer nachvollziehen konnte.
„Ähem ... Das ist ein Kuhkaff“, gab Klaus zu bedenken. „Es würde mich schwer wundern, wenn hier was los wäre.“
„Nein, das meine ich nicht.“ Kovacs atmete tief ein und suchte nach geeigneten Argumenten. „Normalerweise herrscht immer irgendwie Leben. Und wenn es
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