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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Derbort
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ein paar Vögel sind, die zwitschern.“
    Klaus hielt inne und sagte gar nichts mehr. Er lauschte in die Stille hinein, die ab und an von einem vorbeifahrenden Auto unterbrochen wurde, und sah Kovacs schließlich ratlos an.
    „Stimmt“, sagte er. „Absolut nichts. Sogar die Insekten, die einem bei solch einem Wetter tierisch nerven müssten, scheint es hier in diesem Kaff nicht mehr zu geben.“
    Kovacs nickte versonnen und blickte wortlos den beiden weiteren Polizeifahrzeugen nach, die gerade an ihnen vorüberfuhren.
    10.
Die Fahrt in das Krankenhaus schien sich endlos zu dehnen. Bianca saß dermaßen verkrampft auf dem Beifahrersitz – mit zu Fäusten geballten Händen –, dass Anna ihr ab und zu einen besorgten Seitenblick zuwarf.
    „Du hast irgendeine Idee, richtig?“, fragte Anna schließlich.
    „Idee ist zu viel gesagt“, erklärte Bianca. „Eher ein Gefühl.“
    „Was für ein Gefühl?“, fragte Anna, ohne wirklich mit einer Antwort zu rechnen.
    Aber Bianca antwortete.
    „Ich habe das Gefühl, dass das die allerletzte Chance ist, Kellermann lebend zu sehen. Und ich habe das Gefühl, dass ich es bereuen werde, wenn ich die Chance nicht ergreife.“
    „Wie darf ich das verstehen?“, fragte Anna und gab sich erst gar keine Mühe, ihre Skepsis aus ihrer Stimme zu verbannen.
    „Verstehe mich vor allem nicht falsch“, erklärte Bianca, der diese Skepsis natürlich nicht entgangen war. „Ich kann zwar Kellermann jetzt respektieren, aber dass wir jemals dicke Freunde werden – selbst wenn er das hier überleben würde –, das glaube ich nicht. Frag mich nicht, was ich genau erwarte. Aber ich erwarte etwas von Kellermann, und was immer es ist, es ist wichtig.“
    „Das ist ja alles gut und schön“, entgegnete Anna. „Ich weiß aber immer noch nicht so genau, warum du ihn mit aller Gewalt noch mal sehen willst?“
    „Keine Ahnung.“ Bianca zuckte mit den Schultern. „Woher wissen die Vögel, wann sie nach Süden ziehen müssen?“
    Anna maß sie mit einem kurzen Seitenblick, den Bianca nicht zu deuten vermochte, konzentrierte sich dann wieder auf die Straße.
    „Ich glaube, wenn wir Kellermann besucht haben, sind wir schlauer“, sagte Bianca.
    Bis sie das Krankenhaus erreichten, sagte niemand mehr ein Wort.
    11.
Die Polizisten, die sich dem Seniorenstift annahmen, waren ratlos. Nachdem Frau Seibert geschildert hatte, was geschehen war, zeigten sich die Beamten erst einmal skeptisch. Vielmehr unterdrückten sie sogar ein gewisses Amüsement. Das sollte sich aber sehr bald legen, als sie über ihre Handsprechfunkgeräte einige sehr beunruhigende Meldungen vernahmen.
    Irgendwann nahm einer der Beamten sein Walkie-Talkie und verließ den Raum, um außer Hörweite zu sein. Wenig später kehrte er wieder zurück. Er blickte äußerst verwirrt drein.
    Frau Seibert war diese Miene verständlicherweise nicht entgangen und maß ihn mit einem neugierigen Blick.
    „Also gut“, begann er schließlich. „Das, was ich jetzt erzählen werde, darf diesen Raum niemals verlassen. Zumindest vorerst nicht. Hier im Ort ist irgendetwas oberfaul. Überall stehen tote Menschen wieder auf und wandern durch die Gegend.“
    „Hast du einen gehoben?“, fragte der andere Polizist in einer Mischung aus Entrüstung und Überraschung.
    „Nein“, erwiderte der Kollege kühl und hielt ihm das Sprechfunkgerät hin. „Du kannst es ja gerne selbst noch mal probieren. Vielleicht erhältst du eine andere Information und ich habe angefangen zu spinnen. Das wäre mir sogar noch lieber als das, was ich da gerade zu hören bekommen habe.“
    „Herr im Himmel steh uns bei!“, rief Frau Seibert schockiert aus. „Was ist hier nur los?“
    „Wenn wir das wüssten, wäre uns auch wohler“, erwiderte einer der Polizisten tonlos.
    „Wussten Sie schon, dass jetzt mittlerweile dreiundzwanzig Prozent aller Bewohner von Berghausen verstorben sind? Und das innerhalb der letzten zwei Wochen?“, fragte der andere Polizist.
    „So viele?“ Frau Seibert war leichenblass.
    „Ja. Am Anfang haben wir das noch gar nicht so mitbekommen. Immerhin handelte es sich bei jedem einzelnen Fall um einen natürlichen Tod. Aber aufgrund der Häufigkeit werden wir immer öfter herbeizitiert. Und in jedem einzelnen Fall: natürlicher Tod, keinerlei Auffälligkeiten.“
    „Dann möchte ich gerne mal wissen, warum ...“, begann Frau Seibert, kam aber nicht weiter, weil die Tür zu dem Büro, in dem sie die beiden Polizisten empfangen hatte,

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