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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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fort. War der junge Herr zu Hause?«
    »Ja, er war auf der Terrasse und goss die Blumen. Auch er steht früh auf.«
    »Was haben Sie ihm gesagt?«
    Concetta senkte den Blick.
    »Ich sagte ihm, dass die Herzogin womöglich tot war. Dass sie ein Loch in der Stirn hatte.«
    Ricciardi drängte sie:
    »Und er, ist er sofort mit Ihnen gekommen?«
    Nach kurzem Zögern antwortete die Frau:
    »Nein. Er sagte, er sei kein Arzt. Und dass ich die Polizei rufen solle. Aber er kam nicht nach unten.«
    Es folgte eine lange Stille, während Ricciardi diese Information verarbeitete.
    »Wie lange arbeiten Sie schon für die Herrschaften?«
    »Fünfundzwanzig Jahre, Commissario. Mit einundzwanzig habe ich hier angefangen. Zuerst als Küchenmädchen, dann als Köchin, und seit zehn Jahren als Haushälterin, das heißt, seit die Herzogin nicht mehr da ist.«
    »Was bedeutet das, seit die Herzogin nicht mehr da ist?«, fragte Maione mit einem Blick auf die Tote.
    »Ich meine die erste Herzogin. Der Herzog war schon einmal verheiratet, Herr Ettore ist der Sohn seiner ersten Frau, Signora Virginia. Herzogin Adriana ist … war seine zweite Frau.«
    Ricciardi wollte die Sache noch etwas vertiefen. Er war entschlossen herauszufinden, in welcher Beziehung die beiden Frauen zueinander standen.
    »Also waren Sie schon im Haus, als der Herzog wieder heiratete. Verstanden Sie sich gut mit der Herzogin?«
    Die Frau zuckte mit den Schultern.
    »Die Herzogin hielt sich fast immer außer Haus auf. Der Haushalt läuft praktisch von selbst, es gibt nicht viel zu tun. Ich kümmere mich um meine Arbeit und sonst vor allem um meine eigenen Angelegenheiten.«
    Ricciardi entging nicht das indirekte Urteil in Signora Sivos Antwort, und er sparte sich weitere Fragen für später auf.
    Eine Sache wollte er allerdings sofort wissen: Er ging zu der Konsole und öffnete die Schublade. Drinnen lag – exakt an seinem Platz, wenn man der Haushälterin Glauben schenken durfte – der Schlüssel des Riegels, mit dem das Gittertor auf dem Treppenabsatz abgeschlossen wurde.
     
    Durch einen Spalt in der Bougainvilleahecke auf der Südseite der Terrasse kann man auf die Straße blicken. Ich habe die Lücke absichtlich darin gelassen, denn niemand kann die Terrasse von dieser Seite einsehen. Die Straße vor dem Eingangstor ist voller Menschen. Wissen die noch nicht, was passiert ist? Wenn nur einer stehen bleibt, stellt sich gleich ein anderer dazu; in dieser Stadt schert sich niemand um seinen eigenen Kram.
    Ich weiß noch, in meiner Studienzeit gingen wir manchmal zu viert oder zu fünft in die Villa Nazionale oder auf die Via Toledo und starrten in den Himmel. Schon nach zwei Minuten hielten mindestens zehn Leute ihre Nasen in die Luft, und keiner fragte: »He Jungs, was gibt’s denn da?« Kein einziger. Sobald wir beschlossen, dem Spiel ein Ende zu setzen, sagte einer: »Kommt, lasst uns gehen, der fliegende Schnuller kommt heute wohl nicht mehr hier vorbei.« Zu Hause erzählte ich Mama davon, sie lachte trotz ihrer Schmerzen.
    Weißt du, ich sehe dich noch vor mir in deinem Bett, Mama, lächelnd, weil du es nicht mehr schaffst zu lachen. Du willst dir nicht anmerken lassen, dass du leidest, an Herz und Seele. Weil du schon ahnst, was sie einfädelt, diese als Krankenschwester verkleidete Dirne.
    Doch jetzt ist sie tot, weißt du, Mama? Auch sie ist tot.Aber sie ist nicht wie du gestorben, in ihrem Bett mit dem Rosenkranz in den Händen und von mir beweint. Sie ist gestorben, wie sie’s verdient hat. Ermordet.
     
    Wie ein Hund.

    VII    Im Hause Colombo waren mittlerweile alle auf den Beinen und veranstalteten das übliche Chaos am Sonntagmorgen. Enrica hatte sich resigniert von der herrlichen Ruhe verabschiedet, die sie durch ihr frühes Aufstehen gewonnen hatte. Zum Ausgleich hatte sie nach dem Frühstück alle aus der Küche geworfen; sie wollte Geschirr spülen und das Mittagessen weiter vorbereiten.
    Während sie in dem großen Raum hin und her lief, warf sie jedes Mal, wenn sie am Fenster vorbeikam, einen flüchtigen Blick über die Straße hinweg zu einem anderen Fenster. Es war doch Sonntag, und sie hoffte, zur Abwechslung auch einmal tagsüber einen zufälligen Blick aufzufangen. Das Objekt ihrer Begierde sah sie allerdings nicht, sondern nur die alte Frau, die bei ihm lebte und sich um den Haushalt kümmerte. Auf Umwegen hatte sie erfahren, dass es sich dabei um die betagte Kinderfrau handelte und nicht, wie sie fast ein Jahr lang geglaubt hatte, um

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