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Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Augen weit auf. Ricciardi sah genau, wie sich einzelne Schweißperlen auf der riesigen Nase bildeten.
    »Was weiß ich! Ich kann Ihnen sagen, dass er manch-mal … dass er oft abends ausgeht, das ja. Wenn ich die Hortensien gieße, schimpft er und sagt, dass die Blumen morgens bei Sonnenaufgang oder nachmittags gegossen werden sollen, dabei arbeite ich doch schon von früh bis spät, stehe um sechs Uhr auf, und wenn ich abends nicht heimkomme, essen die Kinder nicht, und …«
    »Er geht aus, sagen Sie. Wohin geht er?«
    »Das weiß ich nicht, wie schon gesagt. Mir sagt er’s ganz sicher nicht. Und seinem Vater ebenso wenig, er geht nie zu ihm. Einmal hat er zu Concetta gesagt: Wenn der Alte nachts krepiert, sucht nicht nach mir. Auch der Herzog will nichts von seinem Sohn wissen. Er will ihn nicht sehen, sagt, dass er für ihn gestorben ist wie seine erste Frau.«
    Ricciardi hatte kein Interesse, den Abschweifungen des Pförtners zu folgen.
    »Kommt es je vor, dass jemand ihn abholt? Oder dass er jemanden mit nach Hause bringt?«
    Sciarra dachte angestrengt nach und zog die Stirn in Falten.
    »Diesen Winter hat es abends einmal stark geregnet. Das Tor war verschlossen, und nur die Herzogin und der junge Herr hatten die Schlüssel. Es klopfte, heftig, hörte sich nach Faustschlägen und Tritten an. Ich bin wach geworden und runtergegangen, um zu öffnen. Da war einWagen, jemand saß darin und wartete. Der Fahrer hieß mich sofort den jungen Herrn rufen. Ich ging also nach oben. Die Tür stand offen und ich habe ein oder zwei Mal gerufen. Er kam heraus; sein Gesicht sah vielleicht aus … ich glaube, er hatte geweint. Er hat kein Wort gesagt, ist einfach in dem Auto weggefahren, im Regen. Ich hab nicht gesehen, wer drinnen saß, Commissario, das schwöre ich.«
    Ricciardi nickte, als ob er mit so einem Ereignis gerechnet hatte.
    »Wie sah der Wagen aus? Hatte er irgendein besonderes Kennzeichen?«
    Sciarra sah weg.
    »Nein. Ich erinnere mich nicht, aber ich glaube nicht. Es war ein schwarzer Wagen. Sah teuer aus.«
    Nach kurzem Nachdenken fragte Ricciardi:
    »Nur eine Sache noch, Sciarra. Es geht um den Riegel. Sind Sie sicher, dass nur die Herzogin und der junge Herr die Schlüssel dazu hatten?«
    Das Männlein sah dem Kommissar nun wieder ins Gesicht.
    »Ja, Commissario. Die Herzogin, um am Abend abzuschließen, wenn sie nach Hause kam; und der junge Herr hat einen Ersatzschlüssel, falls es aus irgendeinem Grund nötig sein sollte, nachts hereinzukommen. Morgens fanden wir immer alles so vor, als ob die Herzogin am Abend als Letzte hereingekommen wär: Das Tor war wieder verschlossen und das Schloss mit der Kette vorgehängt.«
    Ricciardi stand auf.
    »In Ordnung. Und jetzt begleiten Sie mich noch einmal zu Herrn Ettore.«

  XXXI  Concetta betrat das Zimmer des Herzogs so leise, als würde sie schweben. Sie wartete einen Moment, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und gab dabei auf jede noch so kleine Veränderung des tiefen Röchelns acht, das vom Bett herüberdrang, in der Überzeugung, keinerlei Geräusch verursacht zu haben, nicht einmal ein leichtes Rascheln. Sie wartete. Auf der Fensterbank gurrte eine Taube. Der Atem des Sterbenden verdichtete sich zu einer kratzigen Stimme, als ob der todkranke Mann im Traum redete:
    »Er ist wiedergekommen, nicht wahr? Der Kommissar, der junge Kerl mit den hellen Augen.«
    Concetta nickte im Dunkeln; die Hände vor dem Schoß gefaltet, sah sie nach vorn. Er konnte sie weder gesehen noch gehört haben. Und doch wusste er, dass sie da war und seit wann. Sie hatte schon vor Jahren aufgehört, sich über diese Fähigkeit des Alten zu wundern.
    »Nun wird alles herauskommen. Es ist unvermeidlich.«
    Concetta dachte darüber nach. Dann sagte sie:
    »Das muss nicht sein. Er war immer sehr vorsichtig.«
    Der Herzog schwieg lange. Ein Hustenanfall überkam ihn; er tastete auf dem mit Medizinfläschchen vollgestellten Nachttisch herum und griff nach einem schmutzigen Taschentuch, das er sich auf den Mund drückte und dann mit nassen Augen ansah.
    »Blut. Wie lange soll das denn so weitergehen? Wie lange braucht’s noch, bis ich endlich sterbe?«
    Concetta versuchte, ihn auf andere Gedanken zu bringen.
    »Was sollen wir tun? Wie können wir ihn schützen?«
    Nach einem weiteren Hustenanfall antwortete der Herzog:
    »Wir können gar nichts tun. Jetzt nicht mehr. Es wird so kommen, wie’s kommen muss – immer noch besser als … als sein Ruin.«
    Concetta

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