Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer des Commisario Ricciardi

Der Sommer des Commisario Ricciardi

Titel: Der Sommer des Commisario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
Vom Netzwerk:
senkte den Kopf und ging hinaus.
     
    Auf der Türschwelle zu Ettores Wohnung stießen Sciarra und Ricciardi auf die Haushälterin, die dort regungslos und stumm wie eine Statue auf sie wartete. Als er sie sah, bat Sciarra den Kommissar mit einem Blick um die Erlaubnis, gehen zu dürfen, und machte sich sichtlich erleichtert davon.
    Concetta sagte: »Bitte warten Sie hier« und machte Anstalten, hineinzugehen, um den Besuch zu melden. Doch Ricciardi hielt sie entschlossen zurück, indem er ihr eine Hand auf den Arm legte.
    »Danke, Signora, das ist nicht nötig. Ich finde den Weg allein.«
    Damit ging er an ihr vorbei und betrat das Zimmer.
    Ettore, den er in Hemdsärmeln und Schürze vorfand, kauerte mit einer Gartenschere in der Hand vor einem Blumentopf. Aus dem Grammophon erklang eine Sinfonie, die der junge Mann mit finsterer Miene summend begleitete. Er sah auf, da er die Anwesenheit einer zweiten Person spürte, und erblickte Ricciardi, gerade als eine keuchende Concetta die beiden erreichte. An Letztere wandte er sich nun:
    »Zum Kuckuck. Hat man denn nicht mal zu Hause seine Ruhe? Was ist bloß in dich gefahren, hast du vergessen, wie du deine Arbeit zu tun hast?«
    Die Frau schnappte nach Luft, als habe man ihr einen Schlag in den Magen versetzt, ihr Gesicht war rot vor Scham. Ricciardi hielt es für nötig einzugreifen:
    »Sie wollte mich eigentlich aufhalten. Ich habe ihr nicht erlaubt, Ihnen Bescheid zu sagen.«
    Ettore war aufgestanden. Er hatte seine Selbstbeherrschung wiedererlangt und grinste hämisch.
    »Und woher, wenn ich fragen darf, nehmen Sie Ihre Unverfrorenheit? Sie haben Mut, Commissario. Das dachte ich schon, als ich Sie zum ersten Mal sah.«
    »Mut? Braucht es denn Mut, um einen Verdächtigen zu vernehmen? Oder müsste ich mir wegen irgendetwas Sorgen machen? Was hätte ich denn zu befürchten?«
    Ettore grinste noch immer, doch seine Augen funkelten.
    »Wollen wir Klartext reden? Ich denke schon, denn sonst wären Sie in Begleitung gekommen. Ich kenne Leute, die Sie noch heute in die Verbannung schicken können. Oder Sie nach Sizilien, Kalabrien oder ins Veneto versetzen. Leute, die Sie dazu verdonnern können, für die nächsten dreißig Jahre von morgens bis abends Formulare auszufüllen. Ist Ihnen das klar?«
    Ricciardi hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt.
    »Also gut, Dottore. So möchten Sie doch genannt werden, nicht? Sie verschmähen Ihren Namen, nicht aber die Privilegien, die damit verbunden sind. Um mir auf diese Weise zu drohen, müssen Sie sich selbst bedroht fühlen. Was droht Ihnen denn? Können Ihre Freunde Sie auch vor einem Mord schützen?«
    Ettore lachte herzhaft, den Kopf nach hinten geworfen, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Ihre Dickköpfigkeit ist einfach wunderbar. Ich habe die Schlampe nicht ermordet. Das sagte ich Ihnen bereits. Freilich hätte ich es tun sollen, aber nicht jetzt; vor zehnJahren hätte ich es tun sollen. Jetzt lohnte es sich nicht mehr.«
    »Und doch wirkte Ihre kleine Inszenierung am Tag der Beerdigung wie ein öffentliches Bekenntnis. Sie lassen keine Gelegenheit aus, um Ihren Hass loszuwerden. Außerdem wollen Sie mir nicht sagen, wo Sie in besagter Nacht waren. Ist die Wahrung Ihres Geheimnisses es wert, einen Prozess zu riskieren?«
    Darauf war Ettore nicht vorbereitet gewesen. Sein spöttischer Ausdruck wurde ernst, fast schmerzerfüllt. Er bewegte den Mund, wie um zu sprechen. Einmal, noch einmal. Dann blickte er Ricciardi fest ins Gesicht.
    »Einen Prozess? Gefängnis? Das ist nichts. Lieber sterbe ich, als Ihnen zu sagen, wo ich war. Nicht etwa, weil ich etwas zu verbergen habe, damit wir uns gleich richtig verstehen. Es … es betrifft nicht nur mich, sondern auch andere Personen. Ich kann und will nicht für sie entscheiden, das ist alles. Also werde ich Ihnen nicht sagen, wo ich in jener Nacht war.«
    Ricciardi schüttelte den Kopf.
    »Sie verkennen die Lage. Es gibt niemand anderen, der so offen gesteht, die Herzogin gehasst zu haben. Jeder, den wir in irgendeiner Weise des Mordes an ihr verdächtigen sollten, würde Sie in die Sache hineinziehen, um sich zu verteidigen.«
    Ettore zuckte mit den Schultern.
    »Dann werde ich mich ebenfalls verteidigen, mit meinen Mitteln. Sie haben keine Ahnung, was für eine Frau sie war. Wirklich keine Ahnung. Es könnte so gut wie jeder gewesen sein, von ihrem Hauptliebhaber bis hin zu einem der vielen anderen, die sie ganz sicher hatte. Den Redakteur wird sie um den Verstand gebracht

Weitere Kostenlose Bücher