Der Sommer des Commisario Ricciardi
haben; Katz und Maus hat sie mit ihm gespielt. Und genauso hat sie’s auch mit dem Alten gemacht, bis sie ihn endlich zerstört hatte.«
»Trotzdem wollen Sie mir nicht sagen, wo Sie waren, und was Sie dort taten. Sie zwingen mich dazu, weitere Nachforschungen anzustellen, das wissen Sie. Ich lasse mich nicht einschüchtern. Von niemandem.«
Ettore wirkte desorientiert.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Stellen Sie ruhig Nachforschungen an, wenn Sie es für nötig halten. Was mich angeht, so werde ich … den Wunsch der Personen respektieren, mit denen ich zusammen war. Mich selbst brauche ich nicht zu schützen. Und keine Angst: Ich mache keinen Gebrauch von meinem Namen. Weder im Guten noch im Schlechten.«
Maione fragte Ricciardi nicht, wo er gewesen war. Er dachte sich schlicht, dass der es ihm schon sagen würde, wenn er wollte. Und so hoffte er bloß, dass der Kommissar sich keinen Ärger einhandelte; bei diesem Fall hatten sie es schließlich mit schwierigen Leuten zu tun. Er selbst hatte das Gefühl, auf einem Minenfeld zu wandeln.
»Alles fertig so weit, Commissario. Wie sollen wir zu den Capeces kommen, mit dem Wagen? Sie wohnen am Parco Margherita in Amedeo. Nicht gerade nahe, und dann bei der Hitze.«
Ricciardi schüttelte den Kopf.
»Nein danke. Ich möchte gerne noch ein Weilchen weiterleben. Ich kann nicht Auto fahren, und wenn du fährst, bringen sie uns im Achtergespann der Herzogin zurück. Du könntest aber bei der Zeitung anrufen und Capece benachrichtigen. Es wäre nicht fair, bei ihm zu Hause zu erscheinen, ohne es ihm vorher zu sagen. Auch würde ich ihn gerne einmal in seinem privaten Umfeld treffen, vielleicht klärt sich dann ja manches.« Maione, der von seinen Fahrkünsten überzeugt war, gab sich beleidigt.
»Das mit mir und dem Autofahren wollen Sie sich wohl nicht aus dem Kopf schlagen. Nur weil wir ein paar Mal einen Pfosten gerammt haben, heißt das noch lange nicht, dass jemand nicht fahren kann. Sei’s drum, wenn Sie nicht wollen, mir soll’s recht sein. Soll ich Capece anrufen?«
Der Brigadiere wusste, dass Ricciardi nicht gern telefonierte. Er hatte das Gefühl, nicht zu verstehen, was sein Gesprächspartner dachte, wenn er ihm nicht ins Gesicht sehen konnte. Außerdem hatte er dieses seelenlose schwarze Ding aus Bakelit, das mit einem sprach, noch nie leiden können.
»Ja, bitte ruf ihn an. Und noch etwas: Geh dich umziehen. Ich möchte nicht, dass wir bei ehrbaren Leuten, die es vor den Nachbarn ohnehin schon nicht leicht haben, in Uniform auftauchen, als ob wir jemanden verhaften wollten.«
Lucia sah ihrem Mann durchs Fenster nach, während er in Zivilkleidung in Richtung Via Toledo verschwand. Sie war beunruhigt. Er war mitten im Dienst schlecht gelaunt nach Hause gekommen, hatte sich umgezogen, sich schnell am Spülbecken in der Küche gewaschen, und das alles fast ohne ein Wort mit ihr zu sprechen. Er musste wohl böse auf sie sein, denn den Kindern, die ihm entgegengelaufen waren, hatte er zärtlich den Kopf gestreichelt.
Sie hatte ihn gefragt, warum er nach Hause gekommen war, doch er hatte bloß ohne aufzusehen erwidert, er müsse in zivil arbeiten und wolle den braunen Anzug anziehen. Ob der gebügelt sei? Natürlich, hatte sie gereizt geantwortet. Und saubere Hemden liegen in der Schublade, ganz frisch und nach Lavendel duftend. Seit wann kümmere ich mich denn nicht um deine Sachen?
Er hatte nichts dazu gesagt und war sich umziehen gegangen. Elegant und irgendwie zerstreut kam er dann aus dem Schlafzimmer. Sie hatte ihn gefragt, ob er, da es schon nach Mittag sei, etwas essen wolle, vielleicht ein wenig Obst, das sie erst morgens bei Ciruzzo gekauft hatte. Woraufhin er sie scharf angeschaut, mit einem kalten »Nein, danke« und einem flüchtigen Kuss abgespeist hatte und wieder gegangen war.
Lucia war verstört. Es kam sonst nie vor, dass Raffaele sich mitten am Tag umzog, wusch, parfümierte und dann in Zivilkleidung wieder loszog; vor allem lehnte er niemals etwas zu Essen ab. Sie spürte einen Stich im Magen und legte sich eine Hand auf den Bauch. Ein Verdauungsproblem, dachte sie.
Doch sie irrte sich.
Ricciardi lief neben einem eleganten und stillen Maione durch die Stadt. Er hatte versucht, ihn zu fragen, ob etwas vorgefallen sei, aber die Miene des Brigadiere ließ darauf schließen, dass er keine Lust hatte zu reden. Im Moment trug einfach alles dazu dabei, dem dicken Polizisten die Laune zu verderben: die Hitze, die
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