Der Sommer des glücklichen Narren
Lix wird lernen, daß man sich den Verhältnissen und anderen Leuten anpassen muß. Sie ist alt genug, um das einzusehen.«
»Wenn du damit meinst«, kam die feindselige Stimme meiner Tochter, »daß ich dorthin zurückgehe, dann täuschst du dich. Ich bleibe hier.«
»Du bist still«, sagte ich zu ihr. »Ich rede jetzt mit deiner Mutter.«
Rosalind löste die Arme von meinem Hals und wandte sich zu Lix. »Ich habe gerade genug Ärger«, sagte sie. »Das fehlt noch, daß du mir auch Schwierigkeiten machst.«
Darauf blieb es eine Weile still. Rosalind zündete sich nun selbst eine Zigarette an, goß sich noch einen Kognak ein und starrte unglücklich vor sich hin.
Ich hielt es für besser, nicht näher auf diesen Ärger, von dem sie sprach, einzugehen. Meinte sie Ärger mit Herrn Killinger? Das wollte ich nicht hoffen. Das wäre ein bißchen früh.
»Soviel ich weiß«, sagte ich, »hat Lix doch bis jetzt keine Schwierigkeiten gemacht. Oder? Das war nun gestern mal eine unerfreuliche Szene. Sie hat sich schlecht benommen. Herrn Killinger ist der Gaul durchgegangen. Schön. Das kommt vor. Das Gewitter lag in der Luft, vielleicht war das auch mit schuld.«
Rosalind drehte sich gereizt zu mir um. »Hör jetzt bloß auf mit deinem Gewitter! Es war nicht bloß gestern. Lix hat sich schon oft schlecht benommen. Und sie hat schon ein paarmal gesagt, daß sie zu dir will. Erst letzte Woche«, sie ging drohend auf Lix zu, »da hast du dich geradezu schandmäßig benommen. Das weißt du ja wohl noch, nicht? Frech und ungezogen wie ein Rotzjunge von der Straße. Schließlich bin ich noch nicht mit ihm verheiratet. Kein Mensch könnte es ihm verdenken, wenn er sich dafür bedankt, eine Frau zu heiraten, die so eine unverschämte Tochter hat. Ich hab' dir ja schon den Standpunkt klargemacht. Und was machst du? Benimmst dich so wie gestern und machst alles noch viel schlimmer. Was denkst du dir eigentlich? Paps hat es dir eben gesagt. Man muß sich anpassen. Dort ist eben ein anderes Milieu als hier. Nachgerade könntest du es lernen, dich wie ein zivilisierter Mensch zu benehmen.« Lix schob trotzig die Unterlippe vor und schwieg. Ich fühlte mich versucht, es ihr nachzutun. Demnach befand man sich hier bei mir fern der Zivilisation. Aber es war wohl zwecklos, den Streit nun auch noch nach dieser Richtung hin auszudehnen.
»Wenn du denkst, daß das für mich alles so einfach ist, dann täuschst du dich«, fuhr Rosalind fort. »Ich muß auch erst sehen, wie ich mich zurechtfinde. Du weißt genau, daß mir Frau Boll Schwierigkeiten macht, wo sie kann.«
Sieh an, das war neu.
»Warum denn das?« fragte ich so sanft wie möglich.
Rosalind wandte sich wieder zu mir und sagte ungeduldig: »Ach, das ist doch klar. Für sie war es doch großartig, wie es bisher war. Nun kommt wieder eine Frau ins Haus, und ihre Vormachtstellung ist zu Ende. Was denkst du, wie sie das Theater gestern genossen hat? Ich hätte ihr am liebsten in ihre höhnisch grinsende Fassade geschlagen.«
Ich seufzte. »Lieber Himmel, Rosalind, es geht nun wirklich nicht an, daß ihr euch wechselseitig dort ohrfeigt. Ich muß sagen: ich staune. Ich dachte immer, alles ist eitel Freude und Herrlichkeit und ihr versteht euch großartig.«
»Du weißt genau, daß es nicht so ist. Du brauchst mich auch gerade noch zu verhöhnen, das hat mir noch gefehlt.«
Ein neuer Ausbruch schien sich vorzubereiten. Wie konnte ich es fertigbringen, daß wir endlich sachlich und ruhig den Fall erörtern konnten?
»Schluß jetzt mit der Streiterei«, sagte ich energisch und mit erhobener Stimme. »Du hast Ärger mit Frau Boll, und du hast Ärger mit deinem Konrad, gut. Aber das steht hier nicht zur Debatte. Vielleicht, mein liebes Kind, solltest auch du dich bemühen, dich den neuen Verhältnissen und den Menschen, mit denen du leben willst, anzupassen. Daß es dort nicht immer so gemütlich zugehen wird wie hier bei mir, wo es ja, deinen Worten nach, reichlich unzivilisiert ist«, das konnte ich mir nun doch nicht verkneifen, »ist klar. Aber du hast dieses Leben gewollt, dir war es hier nicht gut genug. Jetzt hast du, was du willst, und nun beklage dich gefälligst nicht.«
»Wie redest du denn mit mir?« rief Rosalind empört. »Das alles brauchen wir momentan nicht zu besprechen. Hier geht es um Lix und um das Problem, wie wir sie mit der Zivilisation versöhnen.«
»Ich gehe nicht zurück«, rief Lix dazwischen, stur und eigensinnig und nun ebenfalls mit erhobener
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