Der Sommer des glücklichen Narren
kurz vor unserer Scheidung, hatte sie mir einen ganzen Nachmittag lang von diesem Haus vorgeschwärmt. Was für ein herrlicher Besitz es sei, ein wundervoller Garten, und der prachtvolle Blick, und so warm sei es, und sie hätte nie einen schöneren Fleck Erde gesehen. Ich war ordentlich neidisch geworden.
Lix gegenüber hatte sie sich offenbar anders geäußert. Nun ja, Grundstücke im Tessin waren teuer, soviel ich wußte. Warum sollte der gute Konrad da unten einen Palast kaufen, wenn er doch immer nur wenige Tage oder Wochen dort verbrachte. Er hatte ja so wenig Zeit, der arme Manager. Er mußte schließlich das Geld verdienen, für alle diese herrlichen Dinge, die er den Seinen bescherte.
Ich empfand ein wenig Schadenfreude. Arme Rosalind! Auch das neue Leben würde nicht so vollkommen sein wie ihre Träume. Ob sie wohl endlich begriff, daß die Wirklichkeit niemals – nie! um nun auch ihr Lieblingswort zu gebrauchen – rundherum aus Schokolade war? Als edler Mensch unterließ ich jede hämische Bemerkung. Ließ nur die Stille, die nun endlich einmal eingekehrt war, ein wenig wirken. Aber dann, bei einem zufälligen Blick aus dem Fenster, sah ich Gwen über die Wiese kommen.
Rosalind hatte sie auch gesehen. »Da kommt eine deiner Freundinnen«, sagte sie spitz.
Ich ging vors Haus und blickte Gwen fragend entgegen.
»Ich wollte schnell baden gehen«, sagte Gwen liebenswürdig, »kommst du mit?«
»Ich kann jetzt leider nicht.«
»Aha. Immer noch Familienbetrieb? Armes Dolfilein!« Sie lächelte mich unschuldig an. Ich schwieg.
»Keine Angst, ich hau' dann gleich ab. Und nächste Woche bist du mich ganz los. Dann wirst du froh sein, nicht?«
»Ich glaube nicht«, sagte ich. »Du wirst mir fehlen.«
»Zuviel der Ehre«, meinte sie spöttisch.
»Warum mußt du denn so schnell weg?«
»Ich fahre mit meinen Eltern nach Belgien. An die Küste. Da fahren wir meist im Sommer hin. Wir haben dort Bekannte.«
»Aber das ist ja großartig. Da kannst du am Strand reiten. Nimmst du Jessica mit?«
»Das wird Vater nicht erlauben. Und die haben dort selber Pferde.«
»Na, ich finde das herrlich.«
Sie sah mich vorwurfsvoll an. »Ich hab' ja gewußt, daß du dich freust, wenn du mich los wirst.«
»Wer sagt denn das? Ich meinte doch nur, daß ich mir das Reiten am Strand herrlich vorstelle. Habe ich mir immer mal gewünscht.«
»Dann komm doch mit«, rief sie eifrig. »Das wär' prima.«
Ich lachte. »Vielen Dank für die Einladung. Aber erstens kann ich hier nicht weg, und zweitens müßte ich erst mal hören, ob dein Vater das auch prima findet.«
»Och, mein Vater ist nicht so. Der ist sehr gastfreundlich. Und dich fände er sicher interessant. Wo du doch Schriftsteller bist.«
»Hm. Na ja.«
»Wirklich. Er hat immer gesagt, er wünschte, es würde mal jemand unsere Familiengeschichte schreiben. Da ist nämlich allerhand passiert so im Laufe der Jahrhunderte. Da würdest du staunen, was da alles los war.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Soll ich dir eine Einladung besorgen?«
»Vielleicht später mal. Dieses Jahr geht es wirklich nicht. Ich habe hier allerhand Trubel, das siehst du ja.«
»Ja, mit deiner Familie. Deine Tochter ist durchgebrannt. Finde ich toll. Ich ließe mir auch nichts gefallen.«
Mir kam eine Idee. »Wir wär's, wenn du Lix mitnimmst zum Baden? Eine kleine Abkühlung würde ihr guttun.«
»Von mir aus«, meinte die Durchlaucht gönnerhaft. »Wenn sie Lust hat.«
Lix hatte Lust. Es war ihr ganz willkommen, mal für eine Weile zu verschwinden. Ehe sie ging, flüsterte sie mir zu: »Du mußt machen, Paps, daß ich bei dir bleiben kann, ja? Ich fahre bestimmt nicht mit ins Tessin. Du mußt es Mami beibringen.«
Im Verlauf der nächsten halben Stunde gelang mir das. Rosalind resignierte schließlich. Gut, Lix sollte dann also für die nächste Zeit bei mir bleiben. Und ich sollte versuchen, sie zur Räson zu bringen.
»Ich werde mein möglichstes tun«, versprach ich.
»Es ist ja schließlich in deinem eigensten Interesse«, sagte Rosalind mokant. »Genaugenommen kannst du das arme Kind ja gar nicht brauchen mit deinem Harem hier.«
»Du kannst dir diese Bemerkungen sparen.«
»Stimmt es vielleicht nicht? Es ist bestimmt nicht richtig, wenn Lix das alles mit ansieht.«
»Hier gibt es nichts mit anzusehen.«
»Daß ich nicht lache. Lix ist schließlich noch ein Kind.«
»Gwen, mit der sie eben zum Baden gegangen ist, auch noch. Außerdem reist sie sowieso nächste Woche
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