Der Sommer des glücklichen Narren
Tier in der Gegend herumkarriolst.« Die junge Gräfin war eine schöne Frau geworden. Früher wirkte sie immer ein wenig unscheinbar. Seit sie die Kinder hatte, war ein süßer, sanfter Madonnenausdruck in ihr Gesicht gekommen, groß und leuchtend die dunklen Augen, eine lächelnde Gelassenheit ging von ihr aus, die auf jeden Menschen wohltuend wirken mußte.
»Ich würde sie schon zähmen«, sagte der Graf. »Ich fege ja nicht so närrisch mit einem Pferd durch die Gegend wie Gwen.«
»Es handelt sich um Julika«, erklärte mir Gwen. »Eine Schwester von Jessica, weißt du. Onkel Franz hat sie voriges Jahr kennengelernt, als er bei uns zu Besuch war. Damals wurde sie noch longiert, aber diesen Sommer geht sie unterm Reiter. Sie sieht fast ganz genauso aus wie Jessy.«
»Mit Isabel bist du auch nicht fertig geworden«, meinte die Gräfin. »Isabel ist eine Individualistin. Sie wollte sich ihren Herrn selbst aussuchen, und das hat sie getan.«
Ich lachte. »Zum Glück für mich.«
Die Gräfin seufzte. »Es ist traurig, daß ich wieder aussetzen muß. Na, ein Kind noch, dann ist Schluß. Dann wird wieder geritten.«
»Siehst du«, sagte Gwen, »sag' ich immer, daß Kinderkriegen was wahnsinnig Unpraktisches ist.«
Als wir alle lachten, wurde sie rot. »Na, ist doch so. Wenn man nicht mal mehr reiten kann – das ist doch kein Leben. Ich werde mir das sehr überlegen.«
»Das tu man«, neckte sie der Graf. »Und vergiß aber nicht, deinen zukünftigen Mann mit überlegen zu lassen.«
»Mein armes Mohrle ist bloß noch auf der Weide«, fuhr die Gräfin fort, »und sie ging so furchtbar gern im Gelände. Stundenlang, es konnte bergauf und bergab gehen, das machte ihr nicht das geringste aus.«
»Ich kann sie ja gelegentlich mal reiten«, schlug der Graf vor.
»Du bist zu schwer für sie«, sagte die Gräfin.
Morina, die zierliche, lebhafte Rappstute der Gräfin, die sie bekommen hatte nach dem Fiasko mit Isabel, wurde von allen zärtlich Mohrle genannt, weil sie von Kopf bis Fuß ganz tiefschwarz war und ein drolliges, betuliches Wesen hatte, so daß jeder sie gern haben mußte.
»Wenn Sie mögen«, sagte ich, »kann Mohrle für ein paar Wochen zu mir kommen. Meine Tochter ist für die Ferien da und hat schon verkündet, daß sie gern mit mir ausreiten würde.«
»Wenn Sie dabei sind, hätte ich keine Bedenken«, sagte die Gräfin.
»Lix wird ohne weiteres mit ihr fertig, sie ist ganz artig.«
»Und Ihr Gast«, fragte der Graf, »kommt gut mit Flux zurecht?«
»Ausgezeichnet. Nicht, Gwen?«
»Ja«, bestätigte Gwen. »Steffi hat viel gelernt. Sie wird noch eine ganz passable Reiterin. Nächsten Sommer braucht sie ein anderes Pferd, da wird ihr Flux zu langweilig sein.«
»Na, nur langsam«, sagte ich. »Flux geht noch sehr ordentlich. Für Steffi ist er gerade richtig. Daß er mit Jessica nicht mitkommt, na ja, das verlangt ja kein Mensch von ihm.«
»Mit Isabel auch nicht.«
»Ich jage ja nicht so wie du.«
»Ja, du wirst froh sein, wenn ich weg bin, nicht? Dann kannst du wieder deinen gemütlichen Altherrentrott reiten.«
Der Graf und ich lachten hellauf. Die Gräfin schüttelte den Kopf.
»Gwen, du bist unmöglich. Dein armer Vater kann mir wirklich leid tun.«
»Ich werd's ihm bestellen«, sagte Gwen ungerührt. »Es wird ihm ein Trost sein.«
Der Abschied von Gwen fiel ziemlich kurz und schmerzlos aus.
»Tschüs«, sagte sie. »Mach's gut, Dolfi. Vielleicht komme ich mal wieder.«
»Würde mich freuen«, erwiderte ich und war etwas gekränkt durch diesen kühlen Abschied.
Aber dann, ich war schon ein Stück geradelt, rief sie mich.
Ich bremste und wandte mich um. Sie kam mir nachgelaufen, und als sie bei mir war, sagte sie atemlos: »Du könntest mir wenigstens einen Kuß geben.«
»Ich wußte nicht, daß du Wert darauf legst.«
»Ach, nicht wenn alle zugucken. Ich komme bestimmt wieder. Und dann reiten wir wieder zusammen, ja?«
»Natürlich. Also dann, auf Wiedersehen, Gwen.« Ich legte leicht die Hand um ihren Nacken und küßte sie auf die Stirn.
Aber sie drängte sich an mich, schlang ihre Arme um mich und küßte mich auf den Mund. Es war ein richtiger fester Kuß, gar nicht mal so ungeübt. Und ich – ja, ich konnte nicht anders, ich küßte sie wieder. Auch richtig. Ein wenig schuldbewußt ließ ich sie los. Ihre Augen waren groß, und einen kleinen Moment lang sah sie mich stumm an. Dann wandte sie sich jäh um und lief im gleichen Tempo den Weg zurück!
Ich sah ihr
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