Der Sommer des glücklichen Narren
Gatter angelangt waren. Dann stieß ich meinen leisen, melodischen Pfiff aus, den sie beide gut kennen, das Pferd und der Hund.
Die Stute spitzte die Ohren, wandte ihren kleinen Kopf auf dem kräftigen Hals und setzte sich dann hoheitsvoll in Bewegung. Sie kam nicht stürmisch wie Dorian, sie kam in freiem, stolzem Schritt über die Wiese auf uns zu, den Kopf hoch getragen, und erst das letzte Stück setzte sie sich in Trab.
»Sei mir gegrüßt, Donna Isabella«, sagte ich, »du siehst wundervoll heute aus. Und ich sehe, du befindest dich wohl. Das Gras sieht aus, als sei es eine Delikatesse.«
Isabel senkte den Kopf, aber nicht, um meine Vermutung zu bestätigen, sondern um mit ihren rosigen Nüstern an meiner linken Jackentasche zu schnuppern, wo sich erfahrungsgemäß der Zucker befand.
Gehorsam fingerte ich ein paar Stück heraus, und während sie sie behutsam von meiner Hand nahm, strich ich mit der anderen Hand über ihren festen glatten Hals. Das ist eines der angenehmsten Gefühle, das ich kenne. Sicher, die zarte, weiche Haut einer Frau zu streicheln, ist auch ein herrliches Gefühl. Aber so ein seidiges Pferdefell kommt gleich ganz dicht daneben. Und sauber und seidenzart war Isabel anzufühlen. Nicht ein Stäubchen haftete an ihr. Ja, der Wastl verstand es, ein Pferd zu putzen. Und wenn ich nicht da war, um es selber zu machen, legte er seine Ehre darein, es besonders gut zu machen.
Rosalind war immer eifersüchtig auf Isabel gewesen. Und auf Dorian natürlich auch. »Du und deine beiden Viecher! Ich möchte wissen, wozu du mich eigentlich brauchst. So zärtlich wie deine Augen leuchten, wenn du dem Gaul den Popo klopfst, so zärtlich blicken sie bei mir nie.«
Das ist natürlich eine bösartige Verleumdung. Rosalind konnte sich nie, in unserer ganzen langen Ehe nicht, über mangelnde Zärtlichkeit beklagen. Aber zugegeben, zwei Vorteile haben die Tiere ihr gegenüber: Sie können nicht reden, und sie sind zufrieden mit dem Leben, das ich ihnen biete. Hochzufrieden sogar, glaube ich. Die beiden Gstattner-Gäule, zwei kräftige braune Wallache, die inzwischen gemerkt hatten, daß hier eine kleine Abwechslung im Menü geboten wurde, waren inzwischen herangekommen und streckten die Hälse über das Gatter. Sie hielten sich dabei in respektvoller Entfernung von Isabel, denn die mochte es gar nicht, wenn ich mit den beiden verkehrte, und keilte ihnen dann gelegentlich eins auf den Pelz. Jetzt drehte sie ihnen und mir nur beleidigt das Hinterteil zu und wartete, bis die in ihren Augen vollkommen überflüssige Fütterung der beiden vorbei war. Ich klopfte auch den Braunen die Hälse und sagte dann zu Isabel: »Nun komm, man muß nicht so neidisch sein. Das steht einer edlen Dame schlecht zu Gesicht. Denk doch mal, wieviel schwerer es die beiden haben als du. Sicher waren sie heute schon in aller Herrgottsfrühe auf dem Feld, während du hier spazierengehst.« Aber das rührte Isabel nicht im mindesten. Das fand sie ganz in Ordnung. Schließlich war sie eine Dame aus edelstem Geblüt. Und die beiden anderen gewöhnliche Arbeiter.
»Ich muß jetzt nach Hause«, teilte ich ihr noch mit, »und ein bißchen nach dem Rechten sehen. So gegen sechs komme ich, und dann machen wir einen schönen langen Ritt. Denke ja nicht, daß das Leben für dich nur aus Faulheit besteht.«
Ich patschte ihr noch mal das Hinterteil, und dann machten wir uns auf den Heimweg, Dorian und ich.
Daß ich die Dame Isabel besaß, betrachte ich als einen der wenigen, ganz großen Glücksfälle meines Lebens. Vier Jahre war sie jetzt bei mir. Es war nicht leicht gewesen, sie zu erobern. Als sie als Fünfjährige auf das Gut des Grafen Tanning kam, war sie bereits eine veritable Schönheit und wurde von allen, die etwas davon verstanden, sehr bewundert. Bloß reiten konnte sie keiner. Sie war ein richtiger kleiner Teufel. Der Graf hatte sie seiner jungen Frau zum Geburtstag geschenkt. Und obwohl die Gräfin eine gute Reiterin war, stürzte sie mehrere Male schwer mit dem kleinen Biest. Auch der Graf hatte Mühe, sie zu bändigen.
Als dann im Sommer ein bekannter Turnierreiter seinen Urlaub auf dem Gut verbrachte, gelang es dem einigermaßen, die ungebärdige Stute zu zähmen. Er war des Lobes voll von ihr. Sie habe herrliche Gänge, sei schnell wie der Wind, beim Springen noch etwas stürmisch und unüberlegt, aber das würde sich bei entsprechender Arbeit geben. Er war bereit, sie zu kaufen. Allerdings nicht zu dem Preis, den der Graf
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