Der Sommer des glücklichen Narren
respektabler Reiter sein, mein Lieber. Alle Hochachtung.«
Reiten hatte ich schon als Junge gelernt. Einfach deswegen, weil ich es gern wollte und es mir heiß und innig gewünscht hatte. Da ich der einzige war und Muni mir immer schlecht einen Wunsch abschlagen konnte, durfte ich also reiten lernen. Später dann als Vierzehnjähriger hatte ich einen Freund auf der Penne, er hieß Klaus und stammte aus Ostpreußen. Sein Vater war Offizier, noch vom Ersten Weltkrieg her, war dann bei Hitlers Wehrmacht und machte dort eine rasche Karriere. Er wurde nach München versetzt, und so kam Klaus zu mir auf die Schule. Wir freundeten uns sehr rasch und sehr intensiv an, nicht zuletzt deswegen, weil wir beide eine gemeinsame Leidenschaft hatten: die Pferde.
Klaus war ein weitaus besserer Reiter als ich. Er hatte fast seine ganze Jugend auf dem Gut eines Onkels verbracht, der selber Pferde züchtete. Von Klaus nun lernte ich, was ich noch nicht konnte, was man vielleicht auch auf braven Tattersallpferden nicht lernen kann. Denn Klaus besaß natürlich ein eigenes Pferd, einen harten, sehr temperamentvollen Ostpreußen. Der Himmel auf Erden aber brach über mich herein, als ich von meinem Freund eingeladen wurde, in den großen Ferien mit zu seinem Onkel zu fahren.
Von München nach Ostpreußen, das war eine weite Reise. Und für meine Eltern war es eine Enttäuschung, daß ich ohne sie die Ferien verbringen wollte. Für gewöhnlich fuhren wir im Sommer für drei Wochen an den Bodensee oder nach Tirol, immer abwechselnd. Aber diesmal interessierte mich das Bergsteigen und Schwimmen nicht im geringsten. Als sie meine Begeisterung sahen, ließen sie mich ziehen.
Von nun an verbrachte ich bis zum Ausbruch des Krieges alle meine Sommerferien mit Klaus bei seinem Onkel. Dort lernte ich nun wirklich reiten, mit und ohne Sattel, mit und ohne Bügel, auf tadellos zugerittenen Dressurpferden und auch auf jungen, ungebärdigen Tieren. Der Onkel, der selber ein gottbegnadeter Reiter war, meinte nach meinem dritten Sommeraufenthalt, daß ich nun einigermaßen reiterähnlich auf einem Pferde sitzen könne. Ich solle fleißig sparen, er würde mir dann ein brauchbares Pferd zu einem erschwinglichen Preis überlassen. Das war von nun an der Traum meines Lebens.
Aber wovon sollte ich sparen? Zunächst verdiente ich nichts, das Studium lag noch vor mir. Und was ich werden wollte, wußte ich auch noch nicht genau. Zu jener Zeit am liebsten Reitlehrer, aber damit durfte ich meinem Vater natürlich nicht kommen.
Und dann starb mein Vater plötzlich, meine Mutter bekam eine bescheidene Pension, wir mußten sehen, wie wir auskamen, und es war nicht daran zu denken, daß ich mir je würde ein Pferd kaufen können. Selbst wenn der Onkel in Ostpreußen es mir geschenkt hätte – das nützte nichts. Das Pferd brauchte einen Stall, es brauchte Futter und Pflege, und das ist in der Großstadt ein teurer Spaß.
Klaus erntete inzwischen seinen ersten Ruhm als junger Turnierreiter, und ich beneidete ihn glühend.
Na ja, und dann kam sowieso alles anders. Dann kam der Krieg, dann hörte alles Wünschen und Hoffen und Planen auf. Klaus fiel im ersten Rußlandwinter, sein Vater ein Jahr darauf, und das Gut in Ostpreußen fraß der gierige Krieg mit Haut und Haar, mit allen Tieren und Feldern und dem Reiteronkel.
Ich erzählte dem Grafen und seiner Frau beim Tee diese Geschichte.
Zum Schluß forderten sie mich auf, sie wieder einmal zu besuchen, und wenn ich Lust hätte, könnte ich Isabel auch wieder reiten. Und ob ich Lust hatte! Als ich nach Hause kam, redete ich von nichts anderem als von Isabel und meinem Ritt. Ich war unbändig stolz auf mich selbst.
Rosalind schüttelte den Kopf. »Was du alles für unbrauchbare Talente hast«, sagte sie. »Reiten! Wer reitet denn heute noch? Heute fährt man Auto.«
»Auto fahren kann jeder Idiot«, erwiderte ich wegwerfend. »Aber reiten muß man können.«
»Auto fahren kann auch nur der Idiot, der sich ein Auto kaufen kann«, bemerkte Rosalind spitz. »Und ein Pferd wird man auch nicht umsonst bekommen.«
»Es war immer der Traum meines Lebens, ein eigenes Pferd zu haben.«
»Komische Träume. Das wäre das letzte, worauf ich käme. Pferdestärken, ja, und möglichst viele unter einer schicken Kühlerhaube, darüber läßt sich reden.«
Man sieht, so ganz einig war ich mit meiner reizenden Rosalind auch nicht immer.
Gelegentlich ging ich nun aufs Gut, aber nicht zu oft, denn ich wollte nicht
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