Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
Vom Netzwerk:
nächste Bahnstation?«
    »Äh … die nächste Bahnstation?«
    »Ja.«
    »Wollen Sie da etwa hin?«
    »Ja.«
    »Doch nicht in diesem Zustand?«
    »Ich kann's nicht ändern.«
    »Wo müssen Sie denn hin?«
    »Nach München natürlich.«
    »Schwierig«, sagte ich. »Der letzte Zug in Tanning ist weg. Auf dieser Nebenstrecke hier fährt heute keiner mehr. Außerdem können Sie unmöglich so durchnäßt herumlaufen. Sie können sich den Tod holen.«
    Sie löste den Blick von dem Schienenstrang und sah mich an. In ihrem Blick lag Angst, geradezu Verzweiflung.
    »Ich bin nun eben mal naß geworden«, sagte sie, »und ich muß in die Stadt hinein.«
    »Haben Sie sich denn verlaufen?«
    »Nein … oder doch, ja.« Abwehrend, wieder fast feindselig der Blick dieser blauen Augen.
    »Hm.« Ich betrachtete sie nachdenklich. Sie zitterte vor Kälte, ihre Hände waren weiß, auch ihr Gesicht unter der Sonnenbräune.
    »Hören Sie«, sagte ich, »kann ich Ihnen nicht behilflich sein? Zehn Minuten von hier wohne ich. Sie könnten mitkommen und sich vielleicht erst mal trocknen und einen Schnaps trinken. Und dann werden wir überlegen, wie wir Sie weiterbringen.«
    »Nein.« Die Antwort kam kurz und schroff.
    »Aber warum denn nicht, um Himmels willen?«
    »Nein.«
    Offenbar war dieses Mädchen mit der ganzen Welt böse. Oder kam ich ihr so unheimlich vor? Ich war doch manierlich angezogen, hatte ein sauberes Hemd an. Und gekämmt war ich auch.
    »Aber Sie können nicht so in der Gegend herumlaufen. Sie werden bestimmt krank. Sie zittern ja. Kommen Sie.« Ich zog rasch meine Jacke aus und hängte sie ihr um die Schultern.
    Sie wich ein wenig zurück, und ich glaubte fast, sie würde meine schöne, grüne Cordjacke auf den Boden werfen. Aber dann raffte sie sie doch über der Brust zusammen und schmiegte sich hinein. Wieder blickte sie mich an, nicht ganz so böse, und nun lächelte sie sogar ein wenig.
    »Vielen Dank. Schön warm. Mir war nämlich wirklich elend kalt.«
    »Also kommen Sie schon.«
    »Nein!« Es klang fast wie ein Hilfeschrei.
    »Liebes Kind«, sagte ich, so väterlich wie ich konnte, »Sie haben doch nicht etwa Angst vor mir? Ich bin ein Familienvater, ich habe Frau und Kind und ein ganz gewöhnliches Häuschen im Wald. Ich bin kein Mädchenhändler, der Sie entführen will.«
    »Sie haben eine Frau?« fragte sie leise.
    »Nun ja, doch …«, sagte ich.
    »Dann … dann komme ich mit.«
    Na schön. Hauptsache, sie kam erst mal. Daß die Frau nicht da war, würde sich dann schon erklären lassen. Und wenn sie sah, daß ich sie weder verführte noch massakrierte, würde sie wohl ihre Angst verlieren. Dieses Mädchen schien keine gute Meinung von den Männern zu haben. Dabei sah ich doch wirklich nicht aus wie ein Wilderer. Ich mochte nicht nach viel aussehen, aber ich hatte mir immer eingebildet, vertrauenerweckend zu wirken.
    Schweigend gingen wir auf dem schmalen Waldweg nebeneinanderher.
    Dorian trabte uns voran.
    Als wir auf die Lichtung kamen, blieb sie überrascht stehen.
    »Hier wohnen Sie?«
    »Ja.«
    »Hübsch. Mitten im Wald.« Sie lächelte jetzt.
    »Ganz einsam.«
    »Ja.«
    Die Tür war offen. Dorian lief hinein, wir ihm nach. Ich machte die Tür zu, schloß auch das Fenster und knipste das Licht an, denn es wurde nun langsam dämmerig.
    »Wissen Sie was«, sagte ich, »ich mache schnell ein Feuer im Ofen. Da wird Ihnen am ehesten warm.«
    Sie blickte sich suchend um. »Wo ist denn Ihre Frau?«
    »Meine Frau … eh … ja, die ist ins Dorf gegangen. Sie wird wohl auch durch das Gewitter festgehalten worden sein. Aber sicher kommt sie bald.«
    Mißtrauisch blickten mich die blauen Augen an. »So?«
    »Hören Sie«, sagte ich so energisch ich konnte, »ich habe nicht die Absicht, Ihnen etwas Böses zu tun. Ich bin ein ganz harmloser Mensch, der noch nie einem Lebewesen und schon gar nicht einer Frau etwas zuleide getan hat. Glauben Sie mir das bitte. Ich bin weder ein Gangster noch ein Lustmörder, nicht mal ein geübter Frauenverführer. Nichts dergleichen. Ich bin Schriftsteller und heiße Schmitt.« Ich machte eine kleine eckige Verbeugung und blickte sie nun auch etwas erzürnt an.
    Sie stand vor mir, fest in meine Jacke gewickelt, blickte mich verschüchtert an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Verzeihen Sie«, sagte sie, »es ist nur …«, und plötzlich liefen ihr die Tränen über beide Wangen, sie schlug die Hände vors Gesicht wie ein Kind und schluchzte. »Ich habe … ich habe so

Weitere Kostenlose Bücher