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Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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ich riß mich los und lief weg.«
    »Und da haben Sie die Tasche liegenlassen?«
    »Ja.«
    Sie schwieg, griff in die Zigarettendose, die auf dem Tisch stand, und nahm sich eine Zigarette. Ich nahm mir auch eine, hob den Zinnleuchter und gab uns beiden Feuer.
    »Und der Kerl im Wagen?«
    »Dann war der Zug vorbei, die Schranke ging auf, und hinter ihm standen noch mehr Wagen. Da wollte er sich wohl nicht blamieren und fuhr weiter. Er grinste noch unverschämt zu mir heraus.«
    »Wenigstens die Tasche hätte er Ihnen hinausgeben können.«
    »Na, vielleicht hat er nicht gesehen, daß sie da lag.«
    »Und Sie?«
    »Ich traute mich natürlich nicht, jetzt noch einen anderen Wagen anzuhalten. Ich hatte die Nase voll. Andererseits fürchtete ich, daß Eberhard jeden Moment angefahren kommen könnte. Also lief ich ein Stück von der Straße weg. Und dann kam das Gewitter.«
    Das war also ihre Geschichte. Alles wegen eines kleinen Hundes. Und auch deswegen, weil Eberhard nicht der Richtige war.
    »Nun verstehe ich alles sehr gut«, sagte ich nach einer kleinen Weile. »Da saßen Sie nun, naß und unglücklich, und ich kam, und Sie dachten, das wäre nun der dritte Mann an diesem Tag, über den Sie sich ärgern müßten.«
    »So ungefähr. Es tut mir leid, daß ich so unfreundlich war.«
    »Schon vergessen. Mir ist es jetzt ganz verständlich.«
    Darauf schwiegen wir eine lange Weile einträchtig vor uns hin, rauchten und tranken den Himbeergeist aus. Es war angenehm warm im Zimmer. Der kleine elektrische Ofen heizte in dieser Jahreszeit ganz schön ein. Der Himbeergeist auch. Mein Besuch gähnte. Ich blickte sie an.
    »Entschuldigen Sie.«
    »O bitte«, sagte ich. »Sie sind müde.«
    »Ein bißchen, ja. Wie komme ich jetzt bloß nach Hause?«
    »Hm.« Ich überlegte, wie ich ihr die Tatsache, daß sie hier übernachten mußte, am schonendsten beibrachte.
    Es war mittlerweile zehn Uhr geworden. Es gab weder eine Bahn noch einen Bus und auch kein privates Auto in dieser Gegend, das jetzt noch nach München fuhr. Ja, so ist das nun mal mit dem Waldhaus. Nicht weit von einer Großstadt entfernt und mitten im zwanzigsten Jahrhundert.
    »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen«, begann ich, »nach München kommen Sie heute nicht mehr hinein. Es sei denn, Sie gehen unten an die Landstraße und halten ein Auto an. Aber ich nehme an, dazu haben Sie nicht viel Lust.«
    »Nein. Wirklich nicht.« Sie starrte eine Weile nachdenklich in die Kerze und sagte dann zögernd: »Das heißt also …«
    »Das heißt, daß Sie hier übernachten müßten.«
    »Hier bei Ihnen?«
    »Ja. Hier bei mir.«
    Eine längere Pause. Dann richtete sich der Blick dieser klaren, blauen Augen auf mich. »Sie leben allein hier, nicht wahr? Das, was Sie vorhin gesagt haben, das von Ihrer Frau, das war Schwindel.«
    Ich schlug den Blick nieder. »Ich muß gestehen, ja. Ich habe es nur gesagt, damit Sie mitkamen.«
    »Aber …« Ihr Blick ging zur Schlafzimmertür. Sie dachte wohl an die beiden Betten.
    »Ich bin geschieden«, sagte ich. »Um die Wahrheit zu sagen, seit genau neun Tagen. Meine Frau hat mich verlassen. Und da Sie ja nun sehen, wie ich hier lebe, das Haus, die Einsamkeit, nicht mal einen Wagen habe ich, abends um zehn kommt man nicht mehr in die Stadt hinein, werden Sie vielleicht begreifen, warum. Meine Frau hätte sich vielleicht mit mir abgefunden, aber nicht mit meiner Lebensweise.«
    Das letzte mußte etwas bitter geklungen haben, denn als ich sie wieder ansah, erkannte ich in ihren Augen Mitgefühl.
    »Nun ja«, sagte sie zögernd. »Das Landleben liegt eben nicht jedem. Manche Leute wünschen es sich sehnlichst und müssen in der Stadt bleiben. Und andere fühlen sich nur in der Stadt wohl. Sie hätten sich eben noch eine Wohnung in München dazumieten müssen.«
    »Hätte ich vielleicht, aber könnte ich nicht. Ich nehme an, Sie sind darüber informiert, was eine Wohnung derzeit kostet.« Ihr die Sache mit Munis Wohnung zu erklären, die mir ja zur Verfügung stand, aber Rosalind auch nicht komfortabel genug erschien, führte wohl zu weit.
    »Sie sind Schriftsteller?« fragte sie.
    »Ja. Und ein ziemlich erfolgloser. Das erklärt wohl alles.«
    Jedenfalls war sie so taktvoll, jetzt nicht die Stirn zu runzeln und nachdenklich zu murmeln: Schmitt? – Schmitt? Habe ich doch schon mal gehört. Das tun die Leute manchmal, und dann könnte ich aus der Haut fahren. Natürlich hat jeder schon mal Schmitt gehört. Aber nicht im Zusammenhang mit mir.

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